Gesehen: Avatar

Meine beste Freundin und ihr Freund haben mir ein Kinoerlebnis zu Weihnachten geschenkt. Ein ganz wunderbares – es war mein Jungfernflug in sachen stereoskopisches 3D. Ich hatte erst befürchtet, daß das mit meinem Knick in der Optik (ich habe eine leichte Hornhautverkrümmung, dank der manche Sonnenbrillen bei mir Schwindel hervorrufen) nicht funktioniert, aber es funktionierte und sogar ohne Kopfschmerzen und Schwindel. Der räumliche Eindruck auf der Leinwand war zuerst etwas irritierend, was aber bald verging. Und irgendwie kamen mir die Schauspieler mir näher vor, menschlicher, mehr aus Fleisch und Blut – das rief ein irritierendes Gefühl der Intimität hervor, weil mir erst da bewußt wurde, wie sehr die flache 2D-Leinwand sonst distanzierend auf mich wirkt; ein Gefühl, das sich nach einer Zeit legte und nur bei Großaufnahmen gelegentlich wieder aufflackerte.

Gesehen haben wir, siehe Titel, Avatar.

Die Story, wurde in der c’t bemängelt, ist eigentlich vorhersehbar. Aber ich finde: auch eine alte Geschichte kann man schön erzählen, und im Verein mit 3D, einer sorgfältig gestalteten Welt und schönen Actionszenen macht das in diesem Fall richtig Spaß.

Großartig gefiel mir die wundervoll gestaltete Welt. Die Actionszenen wirkten in 3D ultrarealistisch, vielleicht etwas, was einfach an meiner mangelnden Gewöhnung an 3D liegt und daran, daß ich sonst selten ins Kino gehe und mich Bilder auf einer großen Leinwand leicht überwältigen. In „Avatar“ findet die Action zu einem gewichtigen Teil in der Luft, in schwindelerregenden Höhen, statt, was mir bisweilen die Schweißperlen auf die Stirn trieb.

Nach dem Link kommen einige Spoiler – weiterlesen auf eigene Gefahr!

Die Geschichte: Wir befinden uns in der Zukunft, die Menschheit – noch immer offensichtlich weiß, männlich und kapitalistisch dominiert – ist ressourcenhungrig wie eh und je. Der Mond Pandora birgt reiche Reserven des begehrten Rohstoffs Unoctanium, aber der Abbau ist gefährlich. Zum einen ist die Atmosphäre von Pandora giftig für Menschen, zum anderen ist Pandoras Tierwelt riesenhaft und äußerst aggressiv und zum dritten stellen sich die Na’vi, eine einheimische humanoide Spezies, quer. Nun haben die Menschen eine Möglichkeit entwickelt, ihr Bewußtsein zeitweise in „Avatars“, künstlich geschaffene Menschen-Na’vi-Hybriden, zu übertragen. Mit diesen Hybridkörpern, die aussehen wie Na’vi, erkunden sie den Urwald und versuchen Kontakt zu den Na’vi aufzubauen, um sie von ihrem Widerstand gegen den Unoctanium-Abbau abzubringen – bislang allerdings mit wenig Erfolg. Hier kommt Jake Sully ins Spiel. Der querschnittsgelähmte Ex-Marine soll die Arbeit seines verstorbenen Bruders fortsetzen, der am Avatar-Programm beteiligt war, und von ihm erhofft man sich, daß er eine diplomatische Lösung findet, bevor der Konzern zu brachialen militärischen Mitteln greift. Doch Jake versteht die Na’vi etwas zu gut für den Geschmack seiner Vorgesetzten, und bald muß er sich entscheiden, auf wessen Seite er stehen will.

„Avatar“ ist ein Film mit nicht allzu komplexen, aber glaubwürdigen und sympathischen Charakteren. Beeindruckt haben mich Sigourney Weaver als Biologin Dr. Grace Augustine, Michelle Rodriguez als Pilotin Trudy Chacon und Stephen Lang als kommißköpfiger Colonel Miles Quaritch. Giovanni Ribisi als schmieriger Wirtschaftsfuzzi Parker Selfridge ist fast schon zu felsenfest überzeugt von seinem Auftrag namens Profit. Zu den Stars gehört auch die Landschaft. Schwebende Berge, kilometerhohe labyrinthische Bäume, die in sich schon ein Wald sind, lumineszierende Flora und die räuberische Fauna – es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich mich daran sattgesehen hatte.

Ein wenig meckern muß ich trotzdem. Denn: Auch wenn sie drei Meter groß sind und eine blaue Haut haben – die Gesellschaft der Na’vi bleibt doch sehr in den engen Grenzen der Vorstellungskraft des gewöhnlichen Mitteleuropäers bzw. US-Amerikaners. Aus meinen eigenen Versuchen, in der Fantasy Völker mit anderen Gesellschaften zu denken, weiß ich zwar, daß es gar nicht so leicht fällt, außerhalb der eingefahrenen Bahnen zu denken. Aber hey: Zwei Geschlechter, auf lebenslang angelegte monogame heterosexuelle Partnerschaften, der Häuptling ist ein Mann und seine Frau die Oberschamanin, und sie können gar nicht anders, als in ungetrübter Harmonie mit ihrem Planeten zu leben: Klingt das nicht nach der europäischen Verklärung eines Naturvolkes?

Die Na’vi entsprechen vollkommen dem Topos vom edlen Wilden. Wäre nicht ein SF/Fantasy-Mix wie in diesem Film Gelegenheit gewesen, aus solchen Stereotypen auszubrechen und eine Kultur zu erdenken, die auch in anderer Hinsicht als ihrem völligen Fehlen von materieller Gier anders ist als die US-amerikanische? Der Gedanke eines ganzen Planeten als lebendem Wesen ist ebenfalls alles andere als neu – Stichwort: Gaia-Hypothese. Stichwort gender: Die sympathischen, rebellischen Frauenfiguren bezahlen ihren Widerstand gegen die Autorität mit dem Leben. Bis auf die weibliche Hauptfigur natürlich, die, den Regeln des Hollywoodkinos gemäß, den Erzähler und Helden der Geschichte heiratet. Und wer ist der Held? Der ist natürlich – absolut vorhersehbar – ein menschlicher Mann.

Aber all das stört mich nur am Rande. Denn: Dieser Film ist, finde ich, hauptsächlich für seine Bilder da. Die sind einfach nur betörend und wunderbar. Vor allem von den Flugszenen kann ich nicht genug bekommen. Und ich gehe davon aus: Dieser Film wirkt am besten auf einer großen Leinwand und in 3D. Ich habe direkt Lust, mir diesen Film ein zweites Mal anzusehen. Und der Soundtrack steht auf meiner Wunschliste.