Durcheinander

ryuu.de war in letzter Zeit ziemlich hochfrequent, techlastig und nicht unbedingt ein Tagebuchblog. Wieviel persönliche Befindlichkeit ist da gelandet? Wenn ich mich recht erinnere, nicht gar so viel. Immerhin gibt’s mir eine Menge, daß dieses Blog augenscheinlich gelesen wird (sagt zumindest mein Statistikplugin) und noch mehr, wenn ich Kommentare kriege, wo im schönsten Fall eine Diskussion stattfindet oder ich was Neues und (hoffentlich nicht nur für mich) Hilfreiches erfahre. Darum hoffe ich, Ihr Leser_innen, die Ihr mich nicht persönlich kennt, könnt auch mal kryptische Befindlichkeit verdauen.

Am Sonntag habe ich so eine Anwandlung meinen unsortierten Gedanken anvertraut. Heute morgen, wie ich gerade für meinen Freelancejob am Schreiben war, war da auch so eine Frage in meinem Kopf: wie kann ich über so etwas Banales wie Produktivität schreiben, wenn die wirklich tiefen und wichtigen Dinge in meinem Leben irgendwie rufen? Das ist zum einen die Musik und zum anderen eben solche Dinge, die nicht wirklich irgendetwas „nutzbringendes“ hervorbringen, die mehr mit Sein als mit Tun zu tun haben und für mich doch irgendwie Tiefe und Sinn geben, wo die Seele Raum hat. Im Wald rumstromern zum Beispiel. Wer will schon produktiv sein, wenn es so etwas Wunderbares wie Sonnenschein auf spätsommerlichen Wäldern gibt?

Und prompt geschieht noch etwas, das die Balance in meinem Alltag noch mehr durcheinanderbringt. Ein Mensch, zu dem ich vor Jahren im Zorn den Kontakt abgebrochen habe, bzw. wo der Kontakt in einem häßlichen Konflikt verebbt ist und die letzten kommunikativen Handlungen von bürokratischer Kälte waren, ein Mensch, zu dem meine Beziehung vielleicht ganz am Anfang mal unproblematisch war, hat sich wieder gemeldet. Es hat die ganze Familie damit zu tun, bzw. das, was seit der Scheidung meiner Eltern und dem Tod meines Großvaters mütterlicherseits davon übrig ist – und was in alle Winde zerstreut ist.

Ich schwanke jetzt dazwischen, die Kontaktaufnahme als Chance zu nutzen, all den Scheiß mal in Ordnung zu kriegen, und einem zornigen „Fuck you“. Immerhin hat diese Person in meinem Leben soviel Scheiß angerichtet und mich notorisch hängengelassen.

Das ist eine Gemütslage, wo Computerarbeit eigentlich Gift für mich ist, wo ich mich dreimal in der Stunde beim Impuls ertappe, meine Mails zu checken, ob denn irgendwer auf was geantwortet hat irgendwo, wo ich schreien möchte: „Bitte! Nehmt mich wahr, ich brauch Aufmerksamkeit, kommuniziert mit mir!“ und wo ich mich notorisch unsichtbar und isoliert fühle. Ich bräuchte jetzt was Handwerklich-Körperliches. All meine intellektuellen Spielfelder kommen mir da farblos und unwesentlich vor, da wäre mir eher nach Wohnung renovieren oder ähnlicher Plackerei. Irgendwas, das mir wichtig vorkommt.

Ich bin erstmal durcheinander und nehm mir raus, ein paar Tage lang keine Entscheidung zu treffen. Werde mit meiner Schwester reden. Gitarre spielen und singen und so. Und vielleicht auch bloggen. So long: Laßt Euch nicht ärgern!