Live gesehen: Blind Guardian & Van Canto & Steelwing

Vorgestern war ein Tag, auf den ich lange hingehibbelt hatte. Nach langer, langer Berlinabstinenz kamen Blind Guardian im Rahmen ihrer „Sacred Worlds and Songs Divine“-Tour endlich wieder hier vorbei. Als Support Acts waren Van Canto, auf die ich auch sehr gespannt war, und die schwedischen Powermetaller Steelwing dabei.

Um es kurz zu machen, es gab nur weniges, was diesen Abend getrübt hat. Das übliche Problem, daß man als Mensch von weniger als 1,60m Körpergröße auf Konzerten nicht viel sieht 1, weil immer irgendjemand Größeres vor einem steht, war Nummer Eins. Dann war da noch der Pogopit. Macht mir keinen Spaß – ich will mich bei einem Konzert auch auf die Musik konzentrieren, gerade bei dieser Band. Und wenn sowas unvermittelt um eine herum losbricht, man zu Boden gerissen wird um ein Haar seine gesamte Tasche verliert, dann ist das schon eine Schrecksekunde. 2 Letzten Endes habe ich bei der Aktion zum Glück nur meinen Regenschirm verloren und es ist auch nichts kaputtgegangen.

Eine weitere kleine Frustigkeit lag nicht am Publikum: Meine Kamera hat gestreikt, auch die Handyfotos sind nichts geworden, es gibt also keine Bilder von mir.

Das alles schreibe ich vorneweg, damit ich mich auf die angenehmen Seiten konzentrieren kann. Denn im großen und Ganzen war das so ein Abend, der mir noch am Tag danach ein verzücktes Grinsen ins Gesicht zauberte. Und ich weiß mal wieder, warum ich Metal im allgemeinen und Guardian im Besonderen liebe.

Angenehme Überraschung am Einlaß: Es ging alles sehr flott und freundlich, kein langes Schlangestehen. (OK, ich war auch Punkt sieben, Einlaßbeginn, da.) Das Huxleys kannte ich vorher noch nicht, meinem Eindruck nach eine sehr schöne Halle. Schon um 19:30 legten Steelwing dann los. Klassischer und straighter Metal, die Posen fast achtziger-jahre-mäßig, der Sänger war echt nett anzuschauen. Das Publikum mußte sich offensichtlich noch ein wenig aufwärmen, es schien den Leuten zwar Spaß zu machen, doch große Begeisterung sieht anders aus. Hier störte mich der Mix ein bißchen, Gitarren und Singstimme kamen zu grell aus den Lautsprechern und klirrten bei der saftigen Lautstärke in meinen Ohren.

Bei Van Canto bestand dieses Problem zum Glück nicht weiter. Das Sextett beweist, daß Metal keine Frage der Besetzung ist: sie verwenden nämlich außer dem Schlagzeug keine Instrumente. Metal a cappella mag nach einem sehr schrägen Projekt klingen, aber bei Van Canto funktioniert das sehr gut. Ich bewundere den Mut dieser Sänger, Texte wie „dideldi dideldi“ und „ratata tam“ zu verwenden, wo sie Instrumentalparts wiedergeben. Natürlich ist ein A-cappella-Sextett auf einer großen Bühne auch beweglicher als eine Band mit konventionellen Instrumenten. Und dann kommt noch der anscheinend unbezähmbare Bewegungsdrang des Frontmanns hinzu, der während des ganzen Gigs auf der Bühne hin und her wetzte, herumsprang, das Publikum animierte… Meine beste Freundin (die das Trierer Konzert gesehen hatte) prägte dafür den treffenden Ausdruck „Wiesel auf Speed“. (Ich möchte mal gerne wissen, was für einen Sport der macht, muß ein saugutes Training sein.) Van Canto sind eine Band, die sich nicht bitter ernst nehmen, einen wirklich bewundernswerten Mut haben, sich zum Affen zu machen, und dieses Konzept geht auf. Die Mannschaft macht einfach Spaß.

Dann folgte eine längere Umbaupause, und dann endlich: Blind Guardian. Los ging es mit „Sacred worlds“. Was soll ich zu denen noch groß sagen: daß Blind Guardian eine grandiose Liveband sind, ist wohl unumstritten. Hansi sah man an, daß er einen Riesenspaß dabei hatte, dieses Konzern zu zelebrieren und eine tierisch gute Show zu machen, seine Bühnenpräsenz machte auf mich einen entspannten und souveränen Eindruck, und für meine Ohren hat er den Dreh raus, mit seiner Stimme so umzugehen, daß sie nicht altert, sondern reift – davon, daß er z.B. seit der „Imaginations“ 3 auch gesangstechnisch viel gelernt hat, mal ganz abgesehen. Die Songauswahl fand ich auch sehr rund. Es muß schwierig sein, aus so einem riesigen Repertoire die besten Stücke auszuwählen und dann noch genug von der aktuellen Platte zu präsentieren, doch die Aufgabe haben die Krefelder Jungs sehr gut gelöst. Neben den epischen Killern von der aktuellen Scheibe – „Sacred Worlds“ und „Wheel of Time“ – waren auch Stücke wie „Fly“ (vom Vorgängeralbum) und alte Klassiker wie „Majesty“ und „A Past and Future Secret“ dabei. Zur aktuellen Scheibe wollte ich ohnehin einen eigenen Artikel schreiben, kommt noch, versprochen. Um die Zugaben – vier an der Zahl – haben sie sich sehr bitten lassen, ich hatte schon gefürchtet, ein Guardian-Konzert ohne das Ritual namens „Bards Song“ erleben zu müssen. Zum Glück durften wir den dann noch singen 🙂 Mit einem wirklich furiosen „Mirror, Mirror“ endete das Konzert, und ich hatte danach erstmal kaum noch Stimme, denn ich habe, wie jeder brave Guardian-Fan, mitgesungen wie bekloppt. Die ganze Setlist ist übrigens hier nachzulesen.

Ach ja, der Muskelkater in meinem Nacken war dann auch amtlich und das Mitsingen und Bands-Anfeuern konnte vom Verausgabungsgrad einem echten Workout das Wasser reichen. Alles in allem: Tolles Konzert. Chapeau für die Bands, reife Leistung, macht weiter so!

  1. jedenfalls nicht, wenn man die Band aus nennenswerter Nähe sehen will und es nicht in die erste Reihe geschafft hat
  2. Mit hatte ich die, weil Geldbeutel, Handy, Knipse, Schlüssel, Fächer und das, was ich am Merchandise-Stand gekauft habe, ja irgendwo untergebracht werden müssen. Armeehosen mögen praktisch sein, sehen an mir aber verboten aus.
  3. der ersten Guardian-Platte, die ich wirklich mag