Vom Leben ohne Fleisch

Weil ich durch eine Auseinandersetzung im privaten Rahmen gerade mal wieder damit konfrontiert worden bin, hier eine Betrachtung, die mit meinem sonstigen Themenmix wenig zu tun hat. Ich lebe, seit ich 18 bin, zum größeren Teil fleischlos. Als Pescetarierin sitze ich dabei zwischen allen Stühlen. Ich esse vielleicht alle zwei Wochen mal ein wenig Fisch. Sonst: Gemüse und Getreide, Milchprodukte, wenig Eier. Und noch etwas seltener als Fisch gibt es Sojaprodukte. Der Grund Nr. 1 für meine pescetarische Lebensweise: Ich habe mir abgewöhnt, Fleisch zu essen, weil es mir früher nicht geschmeckt hat. Es gibt noch einige weitere Gründe. Aber daß mir nichts fehlt und ich einfach kein Bedürfnis danach habe, ist mein Hauptgrund. Tierseuchen, Fleischskandale und die Art der Fleischproduktion in unserer Lebensmittelindustrie haben ihr Übriges getan, mir Fleisch zu verleiden. (Meine Eier schmecken mir übrigens auch nur noch von freilaufenden Hühnern, ebenso wie ich Vollkornbrot solchem aus Weißmehl vorziehe: sättigt mich mehr.) Aber es ist für mich keinerlei Entsagung. Auch wenn es mich dazu nötigt, mehr selbst zu machen und mich davon abhält, wirklich viel Dosenfraß zu essen. Bin ich inkonsequent, wenn ich Käse immer noch heiß und innig liebe? Wenn ich Kakao aus Vollmilch koche? Wenn dann und wann mal ein Rührei oder ein Stück Fisch in mein Sushi wandert? Gewiß. Aber mit einer veganen Ernährung würde ich doch eine Menge vermissen: das wäre mir zuviel Entsagung. Und ich esse ja nicht aus Weltverbesserer-Gründen so, wie ich esse.

Befremdlich finde ich, wenn mir Fleischesser, die sich selber Fertigfraß aus dem Supermarkt auf den Teller packen, ungefragt und unqualifiziert erzählen, wie ungesund es doch sei, kein Fleisch zu essen. Oder wenn Fleischesser sich angegriffen fühlen, weil ich das Zeug nicht essen will, ohne daß ich gesagt hätte: „Ihr solltet das auch nicht“.

„Vegetarisch ist doch furchtbar teuer“

Nicht-Vegetarier stellen sich, mußte ich feststellen, gerne vor, daß Vegetarier ständig im Bioladen oder im Reformhaus Seitan, Tofu und Fleischersatzprodukte einkaufen. Das ist in einem ziemlich großen Winkel an der Realität vorbei. Ich kaufe nämlich höchst selten dort ein. Das Konzept „Fleischersatz“ gibt es in meiner Küche nicht (dazu siehe unten). Ich kaufe sogar billiger ein, weil Fleisch doch relativ teuer ist – und den Löwenanteil meines Essens kaufe ich im Supermarkt, beim Türken um die Ecke und ganz gelegentlich im Asialaden.

Vegetarisch kochen – ein anderes Paradigma

Zuerst einmal: Das Konzept „Fleischersatz“ funktioniert nur sehr beschränkt. Irgendwas anderes so zuzubereiten, daß es die Funktion von Fleisch erfüllt, ist mir fremd, und angesichts meines Hauptgrundes, kein Fleisch zu essen, auch widersinnig. Vor allem Tofu ist ein Lebensmittel eigenen Rechts und kein Ersatz für irgendwas anderes, und Tofu wie Fleisch zuzubereiten, funktioniert in meinen Augen einfach nicht. Wenn ich Tofu esse, dann wird er nach Rezepten aus der ostasiatischen Küche zubereitet.

Ein weiteres Paradigma aus der fleischhaltigen Küche, nämlich die Essenszusammenstellung „Fleisch – Soße – Gemüse – Sättigungsbeilage“ funktioniert auch in der vegetarischen Küche nicht. Bei mir spielen Suppen und Eintöpfe eine gewisse Rolle, aber auch festere Gerichte, wo alle Zutaten zusammen in einen Topf kommen. Ansonsten ist es gerne Reis/Nudeln/Hirse plus Gemüsegericht, das dann eher wie Gemüse plus Soße daherkommt. Auch gern genommen: Aufläufe. Im Grunde muß man nur diesen Modellteller aus dem Kopf bekommen und in einen kreativeren Modus schalten, dann wird das schon mit dem vegetarischen Essen. Es funktioniert ebenfalls nicht, einfach das Fleisch wegzulassen und nur Gemüse und Kohlehydratträger plus ggf. Soße zu servieren, sondern das Gemüse muß in dem Fall die Rolle des Geschmacksträgers mit übernehmen und ein wenig gehaltvoller zubereitet werden. (Eine andere Seite dessen ist, daß ich z.B. auch Nudeln und Reis gerne nicht nur ein bißchen salze, sondern etwas stärker würze.) Bratlinge dagegen gibt es bei mir kaum: Ich bin zu faul für die ganze Braterei, und beim Braten wandert auch sehr viel Fett ins Essen. 1 Und Bratlinge sind in meinen Augen wieder ein Teil dieses „Fleisch – Soße – Gemüse – Sättingungsbeilage“-Paradigmas.

Was aus all dem folgt: Ich habe ein recht reichhaltiges Gewürzregal. Allein schon für das asiatische Essen brauche ich eine Menge eigene Zutaten, vor allem Gewürze. Auch in mediterrane Gerichte kommen nicht nur Salz, Pfeffer und Olivenöl, sondern zusätzlich jede Menge Kräuter.

Ich will mit diesem Artikel keinem Fleischesser sein Stück Schinken oder seinen Döner madig machen. Aber ich will gern in Ruhe gelassen werden, wenn ich meine Falafel mampfe und ich wünsche mir, daß meine Bitte um fleischloses Essen ernst genommen wird, wenn ich irgendwo zu Gast bin (z.b. auf Reisen in Tagungshäusern, Hotels etc.), das heißt: daß ich fleischlos satt werde. Und dann wünsche ich mir einfach mal weniger Dogmatismus und entspanntes Nebeneinander.

  1. Nicht daß ich so ein Gesundheitfanatiker wäre, ich bin sonst keine Fettparanoikerin – aber diese gebratene Art von Fettigkeit kann ich nur selten ab.