Respekt für Weiblichkeiten V: Vom Verlangen des Weibes nach dem Weibe
Ich schreibe diesen Text als eine, die sich unsicher ist, ob sie sich mit „femme“ und „feminin“ identifizieren soll. Das gleiche gilt für die Frauen, die ich begehrenswert finde: Soweit ich weiß, identifiziert sich keine von ihnen als femme, einige von ihnen würden wahrscheinlich sogar den Kopf schütteln über diese engstirnige Schubladisierung. Aber ich werde so wahrgenommen und fühle mich darum gedrängt, mich auf die eine oder andere Weise zu dieser Wahrnehmung zu verhalten. Ich würde mich zu der intimen Frage, wen ich begehrenswert finde, nicht äußern, wenn darin nicht Konfliktpotential steckte, das ich nicht auf individuelle Verfaßtheiten zurückzuführen bereit bin, sondern in dem ich etwas Strukturelles wahrnehme.
Es war für mich ein Aha-Erlebnis, als ich im zweiten Semester mit Judith Butlers „Gender Trouble“ konfrontiert wurde und dort das Modell der heterosexuellen Matrix kennenlernte. Diese beschreibt die gesellschaftlich allgemein verbreitete Annahme, daß zwischen körperlichem Geschlecht (von dem angenommen wird, es sei immer eindeutig), Geschlechtsidentität und Begehren eine Kontinuität besteht. Gesellschaftlich unverständlich wird ein Mensch in dem Moment, wo an einer der Stellen dieser Logik nicht genügt wird: wo also jemand, der als Mann geboren ist, eine weibliche Geschlechtsidentität für sich in Anspruch nimmt (Transsexualität) oder wo eine Frau, die mit weiblicher Geschlechtsidentität lebt, Frauen begehrt. Das war für mich insofern eine Entdeckung, als es mir erklärte, warum ich so einen Widerstand dagegen empfand, daß Homo- und Transsexualität so gerne in einen Topf geworfen werden; etwa, indem Lesben unterstellt wird, ‚irgendwie männlicher‘ als Heteras zu sein.
Im Zuge der butch-femme-Geschichte sind wir, zumindest soweit es Frauen betrifft, die als feminin identifiziert werden/sich als feminin/femme identifizieren, jedoch immer noch nicht vollkommen von der unseligen Annahme losgekommen, daß gender-Ausdruck und Begehren miteinander verknüpft sind. Die feminine Frau, die feminine Weiblichkeiten begehrt, scheint ein blinder Fleck zu sein, mit Ausnahme derjenigen femininen Lesben, die ihre Selbstidentifikation mit einer Abwertung des Maskulinen/Männlichen paaren und oft auch eine eher konventionelle Weiblichkeit vertreten. Was sich in Sätzen wie „ich bin doch lesbisch, weil ich auf Frauen stehe!“ ausdrückt, ist eine Position, in der oft genug wieder der Ansatz steckt, Normen aufzustellen, was als richtige Frau gelten darf und was nicht. Wo von femmes die Rede ist, da wird sie jedoch oft genug als eine konstruiert, die (trans)männlich/maskulin identifizierte Personen liebt, während die butch schon eher frei ist, sich erotisch auf butches zu beziehen. Auch im femme-Buch wird zwar die Möglichkeit, daß sich das Begehren von femmes auf femmes richtet, erwähnt, aber beispielhaft wird doch immer nur die femme, die butches oder Transmänner liebt. In der Definition von Lisa Duggan und Kathleen McHugh nimmt Differenz als konstitutives Moment eine prominente Rolle ein:
Die femme ist la je ne sais quoi, die Differenz begehrt vor jeder Bestimmung sexueller Präferenz oder Geschlechtsidentität. 1
In vielen kulturellen Feldern nehme ich wahr, daß dem Weiblichen nicht zugestanden wird, eine Sphäre eigenen Rechts zu sein, während männlich-homosoziale Kontexte eine lange Tradition haben und ganz selbstverständlich bestehen. Wollen Frauen unter sich sein und öffentliche Orte dafür haben, entsteht jedoch schnell Rechtfertigungsdruck. Das durfte ich erleben, als ich in meiner Uni-Zeit das Café Furiosa, das Studentinnencafé der FU Berlin, mitbetreute. Wieviele Diskussionen ich da um die Notwendigkeit eines Frauencafés und wieso da keine Männer rein durften, geführt habe, habe ich irgendwann nicht mehr gezählt. Nun habe ich inzwischen auch nur noch sehr wenig Bezug zu reinen Frauenräumen, doch das Beispiel belegt, wie wenig Weiblichkeiten als etwas Eigenständiges respektiert werden. Anderes Beispiel: Im Metal kann der Shouter ohne Frauenstimme bestehen, der „weiblich“ eingesetzten Frauenstimme – also keine Shouterin/Growlerin – wird nur im Ausnahmefall zugestanden, ohne das „Gegengewicht“ einer Männerstimme zu singen. Gerade klassisch geprägte Sängerinnen werden da auch oft auf ein sehr enges Spektrum von Ausdrucksqualitäten eingeschränkt. Was nicht heißt, daß ich female fronted Metal nicht mag, doch leider ist Tarja Turunens Soloprojekt hier das einzige Projekt, das mir einfällt, das ohne Growl als Gegenpart zur hohen Frauenstimme auskommt.
Weiblichkeit scheint in vielen Fällen derart als Differenz von einem männlichen Normalzustand gedacht zu sein, daß ein polar gedachter Geschlechtsunterschied in ihr mit angelegt ist und daß Polarität als etwas erscheint, das das Erotische erst entstehen läßt. Da möchte ich dann fragen: Moment mal! Muß Differenz polar sein? Kann der Unterschied, der eine Beziehung spannend macht, nicht auch in etwas anderem als dem gender-Ausdruck liegen (und auch die gelebte femmeness kann ja individuell sehr unterschiedlich sein)? Was ist, wenn ich in mir selbst zu sehr vielem auch das finden kann, was üblicherweise als Gegenpol dazu beschrieben wird, wenn ich für mich ablehne, die Welt in Dualitäten zu wahrzunehmen? Wo ich potentiell alles in mir trage, wird ein Modell von Polaritäten als ‚komplementäres‘ unpassend, es sei denn, es würde gelebt als changierendes, höchst fluides, das mir den Raum läßt, nicht nur jeweils eine Seite meiner Vielfalt zu leben. Und mein Begehren funktioniert nicht-polar, es springt auf Weiblichkeit(en) an – allerdings nicht auf jede, nicht auf vollkommen hegemoniale und auf keine, die ich so einfach als Merkmalskatalog beschreiben könnte.
Auf dem femme-workshop bin ich zum Thema „femme-femme“ ganz unterschiedlichen Ansichten begegnet: von „butches zu begehren, gehört zur femmeness als konstitutiver Teil dazu“ über „ich, femme, begehre Menschen verschiedenster Geschlechter“ bis „ich bin femme und mein Begehren richtet sich primär auf feminine Weiblichkeit“. Einigkeit bestand aber darüber: die femme, die femmes begehrt, ist unsichtbar. Sich gegenseitig als solche zu erkennen, ist auch in den Kontexten, die queeren Menschen zur Verfügung stehen, ungefähr so schwer, wie sich gegenseitig im alltäglichen Leben ohne eindeutige Zeichen zu erkennen. Ich fragte mich vorher, ob femme-begehrende femmes nicht einen eigenen Begriff für sich bräuchten, angesichts der hartnäckigen Annahme, femmes würden stets butches begehren. Etwas, das unmißverständlich ‚uns‘ als Gruppe eigenen Rechts bezeichnet. Doch: ein Begriff oder ein Zeichen nützt nur, wenn es auch Leute gibt, die ihn kennen, seine Bedeutung verstehen und ihn verwenden. Und dann denke ich mir auch manchmal wieder: femme ist für alle da, es lohnt sich, auch diese Auswirkung von femmephobie zu bekämpfen – und eine Identität nicht als starres und eingegrenztes Ding entstehen zu lassen, das wieder nur für eine kleine Gruppe von Leuten gut ist, das dazu benutzt werden kann, uns voneinander zu trennen. Denn ich fühle mich solidarisch mit denen, deren Begehren anders zusammengelötet ist als meins, und es wäre gut, der potentiell unendlichen Vielgestaltigkeit von Geschlechtsidentitäten und Begehrensformen Raum zu geben, statt ewig zu kategorisieren und zu schubladisieren.
- Duggan, Lisa und McHugh, Kathleen: Ein fem(me)inistisches Manifest, in: Fuchs, Sabine. Femme! radikal – queer – feminin. Querverlag, 2009, S. 47-55, hier: S. 47 ↩
Ja, die Macht der Vorstellung, es gäbe da eine „natürliche“ Polarität und Gegensätze würden sich „natürlicherweise“ (wie beim Magneten) anziehen! Früher war ich z. B. fest davon überzeugt, dass es in „schwulen Paaren“ einen „männlichen“ Partner gäbe und einen, Typ „effiminierte Tunte“, der „Frau spielt“. (Komischerweise gab es Schwule, die das genau so sahen, entgegen dem, was sie sahen – das Konstrukt war stärker als die beinahe tägliche Erfahrung.)
„wo also jemand, der als Mann geboren ist, eine weibliche Geschlechtsidentität für sich in Anspruch nimmt“. Hinter solchen Sätzen verbirgt sich die Heuchelei, die transsexuellen Menschen weltweit immer noch den Status des Ausgegrenztseins zukommen lässt. Wer sagt, eine transsexuelle Frau sei als „Mann geboren“ muss schon eine arg antiquierte Vorstellung über die Biologie haben, indem er immer noch annimmt, dass das biologische Geschlecht auf wenige Merkmale (wie z.B. die Genitalien) reduziert werden kann. Wer aber missachtet, dass Geschlecht in der Natur immer aus vielen unterschiedlichen Faktoren besteht und weiss, dass alle dieser Faktoren alle voneinander abweichen können und dann auch noch beachtet, dass jeder Mensch geschlechtlich das „Ergebnis“ dieser verschiedenen Faktoren ist, der wird bemerken, dass die Behauptung, transsexuelle Frauen wären „als Mann geboren“ eine zutiefst mittelalterliche Sichtweise deutlich macht.
Nichts für ungut. Transsexuelle Frauen sind Frauen. Es mag nicht in die Hirne mancher Menschen passen, die geschlechtliche Vielfalt wahrzunehmen, dennoch existiert sie. Tja…
… „es wäre gut, der potentiell unendlichen Vielgestaltigkeit von Geschlechtsidentitäten und Begehrensformen Raum zu geben, statt ewig zu kategorisieren und zu schubladisieren. „
oja, auch damit sprechen Sie mir aus meinem herzen – ich halte garnix von dieser „schubladisiererei“ und binarität. aus der angewandten psychologie weiss ich u.a. „labeling is disabeling“ – eine weiter-/entwicklung wird dadurch nämlich verhindert/stigmatisiert (angst vor komplexität ?) und entspricht nicht meinem (fluiden) lebensgefühl.
hier gibt’s frauen die darüber bloggen : http://femininelesbians.wordpress.com/
Hallo Kim,
zwei Dinge gebe ich zu: Erstens ist die Formulierung „als Mann geboren“ ist ungenau. Viel eher hätte ich (im Rahmen der Darstellung der heterosexuellen Matrix) sagen sollen: „geboren mit einem Körper, dessen Merkmale als männlich interpretiert werden.“ Und genau der Rückschluß von Genitalien auf Geschlechtsidentität macht ja die erste Kontinuität der heterosexuellen Matrix – die ich ja nur wiedergebe als etwas, von dessen Nicht-Zwangsläufigkeit ich überzeugt bin – aus.
Zweitens: „Mittelalterliche“ Sichtweise? Mag sein. Wir haben diese Sichtweise jedoch alle einmal verinnerlicht. Niemand ist immun dagegen. (Übrigens ist sie sicher nicht mittelalterlich, sondern entspringt sehr viel wahrscheinlicher dem 19. Jh. Die mediävistischen Gender Studies hätten zu mittelalterlichen Konzepten von Geschlecht sicher einiges zu sagen, das sich das 19. Jh. nicht im Traum einfallen ließe. Sind hier zufällig Mediävist_innen mit faible für Genderthemen anwesend?)
Aber ansonsten ziehe ich mir den Schuh nicht an. Wenn Du beleidigt bist, weil Du nicht imstande bist, zu verstehen, daß ich eine Kritik an einem in der Gesellschaft verbreiteten Denkmuster referiere, dann ist das nicht meine Schuld. Überdies – eine einzelne (zugegeben: ungenaue) Formulierung aus dem Kontext zu reißen und mir dann eine mittelalterliche Sichtweise zu unterstellen, ist wirklich schlechter Stil. Hättest Du Dich hier ein wenig genauer umgesehen oder auch nur meinen Artikel ganz zur Kenntnis genommen, wüßtest Du, daß es mir genau um diese von Dir angemahnte Vielfalt zu tun ist.