Das Manifest der egoistischen Handarbeiterin, oder: Warum ich keine Handarbeits-Aufträge annehme.
So, nur weil ich auf ipernity dieser Tage eine solche Diskussion am Laufen hatte, eine grundsätzliche Sache: ich mache Handarbeitskram nur für mich und meine absoluten Lieblingsmenschen.
Ich mache Handarbeit zu meinem Vergnügen. Und ich mache es, weil ich Freude daran habe, hinterher die Sachen, die rauskommen (Sachen, die mir passen und die so aussehen, wie ich das haben will), auch selbst zu gebrauchen. Oder dieses Strahlen in den Augen von Menschen zu sehen, die mir viel bedeuten (die wissen, wieviel Arbeit drin steckt und das auch in Ehren halten). Einmal, ein einziges Mal habe ich tatsächlich einer Person, die ich nur über ihr Blog und über Twitter kannte (das aber auch nicht erst seit gestern), ein Paar Socken geschenkt – in diesem Fall, weil ich gerade Lust dazu hatte.
Ich mache das in meiner Freizeit, neben einem Fulltime-Job und einem Freelance-Job, der mir zwar viel Freude macht, aber auch Zeit und Hirnschmalz kostet. Ich mache das mit der Freiheit, daß mir ein Stück auch mal nicht so perfekt gelingen darf oder ich sogar was wieder aufribbele, daß ich beliebig lange brauchen darf dafür, daß ich ein Projekt auch mal ein paar Monate liegenlasse oder nicht fertigstelle. Freiheiten, die ich nicht habe, wenn ich Aufträge annehme.
Warum ich auch meiner Hände Arbeit nicht verkaufe: In jeder Handarbeit, die ich mache, stecken etliche Stunden Arbeit. Eine einfache Mütze aus dicker Wolle ist in ca. 4 Stunden fertig. In einem Paar Socken steckt schätzungsweise ein Tag, wenn es ein simples Muster ist, In einem Schultertuch, einem Schal, einem Pulli stecken wesentlich mehr Stunden Arbeit.
Wieviel eine Stunde Arbeit kosten müßte, damit ein freelancender Mensch davon leben kann, das hat der Guru 2.0 mit seinem Freelancer-Stundenrechner ausgerechnet. Ihr könnt sicher sein, daß ich meinen Stundensatz nicht im Survival-Bereich, von dem ich gerade so meine Miete und mein Essen bezahlen könnte, ansetzen würde. Und nun rechnet mal nach. Und dann überlegt Euch, ob Ihr ernsthaft einen solchen Preis bezahlen würdet.
Plus Material. Gutes Material ist, egal für welche Handarbeitsdisziplin, teuer. Dafür könnt Ihr oft schon ein preiswertes fertiges Teil im Handel kaufen. Für 100g Sockenwolle1 gebe ich, wenn es billig ist, 6-7 Euro aus, halbwegs schönes Garn fängt bei ca. 10 Euro pro 100g an.2 Und das ist nur das untere Ende. Und nur eine Art von Garn. Schaut mal im Versandhandel die Preisspannen für Markengarn wie Noro oder Malabrigo an, oder recherchiert mal, wieviel $mensch für einen Strang Wollmeise-Sockengarn ausgibt.
Mit dem Werkzeug habe ich da noch nicht angefangen. Stricknadeln, Häkelnadeln, Zopfnadeln, Maschenmarkierer, Nadelnmaß, Scheren, … Genau wie beim Hardwarebasteln, beim Filmen oder Audio-Aufnehmen, bei Musikinstrumenten oder bei Sportgerät gilt: Gutes Gerät kostet in aller Regel mehr, macht aber auch einfach mehr Spaß und deshalb arbeite ich auch nicht mit dem Billigsten, was ich kriegen kann, sondern mit Qualitätswerkzeug.
Und dann habe ich noch immer nicht über Aufbewahrung gesprochen. Mein Wollvorrat ist sehr bescheiden, er nimmt nur ein Fach in meinem Kleiderschrank ein. Fragt mal Stricker_innen mit größerem stash, wieviel Raum sie für die Aufbewahrung ihrer Wolle brauchen.
Das alles betrifft nicht nur das Stricken. Beim Sticken, Weben, Nähen, Spinnen… ist es ähnlich. Textilhandwerk ist ein schönes Hobby, aber beileibe kein billiges.
Schon älter, aber passend dazu und zeitlos: Selbstausbeutung & Dumping bei Selfmade-Portalen von Distel.
Ich habe gesprochen. So.
- als Referenz für die nicht-strickenden Leser_innen: soviel sollte $mensch für ein Paar Socken in Erwachsenengrößen bis ca. Schuhgröße ~44 einplanen ↩
- ja, ich habe auch Socken aus 2-Euro-Resterampen-Garn. Aber mal ehrlich: Die Farben sind meistens echt nicht schön. Und wenn doch, dann ist die Qualität immer noch ein Glücksspiel. Ja, ich habe Socken aus 2-Euro-Garn, die Maschinenwäsche und intensivem Tragen schon seit 2 Jahren standhalten, ich habe aber auch welche aus Garn in einer ähnlichen Preisklasse, die nach nur kurzer Zeit anfangen zu filzen, die ganz schön fragil sind und die ich nicht in der Maschine waschen kann. ↩