Die ideale Linux-Distribution

… oder von der Quadratur des Kreises…

Einer der Gründe, warum ich Linux so mag, ist zugleich eine Sache, die mir regelmäßig große Unschlüssigkeit beschert: Es gibt etliche „Geschmacksrichtungen“ davon, alle auf unterschiedliche Bedürfnisse und Präferenzen abgestimmt.

Das geht auf Kosten der universellen Bedienbarkeit. Wenn man mich vor das Linux setzt, das eine hypothetische Bekannte für sich als passend betrachtet, bedeutet das z.B. nicht, daß ich das automatisch bedienen kann.

Nun kann man Linux-Distributionen auf alle möglichen Zwecke zuschneiden und je nachdem werden die Prioritäten unterschiedlich sein. Eine serverorientierte Distribution wird den Fokus auf stabile und gut getestete Software legen, während andere Distributionen auf topaktuelle Pakete Wert legen. Ich habe mir darum mal ein paar Gedanken gemacht, was mir eigentlich bei der Auswahl der Distribution wichtig ist.

Einsatzgebiete

Zuallererst einmal: Das richtige Werkzeug für den jeweiligen Zweck. Auch eine relativ gute Allround-Distribution wird nicht für Echtzeit-Audiobearbeitung taugen, als Webserver einsetzbar sein, für Webentwicklung und Office-Anwendungen taugen und gleichzeitig noch auf meinem Netbook ruckelfrei laufen.

Ich würde meine Einsatzgebiete wie folgt klassifizieren:

  • „Brot und Butter“, d.h. das tägliche Klein-Klein wie im Web surfen, Mails schreiben, texten, Office-Anwendungen, Musik hören, das eine oder andere Video gucken. Da das meiste der Arbeit für Geld, die ich nicht ohnehin im Büro mache, darunter fällt, ist mir hier ein „produktiver“, sprich ablenkungsfreier Desktop wichtig – Gnome3 befriedigt mich in der Hinsicht sehr.
  • Webentwicklung und die dazugehörige Grafikbearbeitung. Dazu will ich aktuelle Browser und Grafiktools.
  • Audiobearbeitung und Musikmachen. Eventuell auch bald Podcasting. Hier ist ein Lowlatency- oder Realtime-Kernel wichtig sowie aktuelle Versionen meiner Werkzeuge – das sind aktuell hauptsächlich Audacity, Ardour und JACK. Und natürlich muß eine solche Distribution bei meinen Hardware-Gegebenheiten schlank und sparsam sein.

Ich lege Wert auf:

  • aktuelle Software (ja, das eine oder andere Mal habe ich mich schon darüber geärgert, daß Debian Stable, ähm, sehr gut abgehangen ist),
  • umfangreiche, gut gepflegte Repositories
  • eine gescheite Paketverwaltung
  • Codecs und Flash nachinstallieren sollte nicht in Krampf ausarten. Ja, es sind nun mal jede Menge Inhalte da draußen in proprietären Formaten. Wenn Codecs für verbreitete Formate und Flash nicht in der Distribution selbst enthalten sind, so sollte das Nachinstallieren mit Grundkenntnissen in Sachen Linux machbar sein.
  • last not least: Geschwindigkeit. Ich habe nicht die schnellste Hardware. Und wenn ich mir schnelle Hardware anschaffe, dann soll die z.B. an Audioeffekten oder Spielen rackern, nicht an Desktop-Blingbling.

Desktops

Ich bin zwar eine große Freundin des GNOME-Desktops, das heißt aber nicht, daß ich mich mit anderen Desktops nicht anfreunden kann, vor allem, wenn sie mehr Geschwindigkeit bringen. Lediglich Unity hat mich nicht überzeugt und KDE kann ich nicht so viel abgewinnen. Ein wenig Komfort und schickes Aussehen darf natürlich trotzdem sein.

Was die Integration von „Standardanwendungen“ in den Desktop angeht, bin ich eher auf der „gib mir nichts vor, laß es mich selbst zusammenbasteln“-Seite. Daß mir etwa Unity jedesmal abschmierte, wenn ich das ressourcenfressende Gwibber abschoß, ist ein nogo. Andere denken da vielleicht anders – und das ist das Schöne an Linux: Es gibt „Fertigprodukte“, es gibt aber auch genug Möglichkeiten, mir mein System so hinzubasteln, wie ich das haben will.

Habe ich noch was vergessen? Und überhaupt, werte Leser_innen: Was ist für Euch bei der Auswahl einer Linux-Distribution entscheidend?

10 thoughts on “Die ideale Linux-Distribution

  1. Vielleicht solltest du dir wirklich einmal ArchLinux oder Gentoo anschauen, das sind Distributionen zum Basteln nach dem DIY-Verfahren.

    Der positive Sidekick auf Gnome3 ist nett, wenngleich mir bei der neuen Oberfläche noch einige Dinge fehlen bzw. umständlich erscheinen. Die Verwaltung des Systrays und der separaten Notification-Area empfinde ich als Entwickler so manchesmal als unglücklich umgesetzt.

    Besonders stört mich aber, dass damit auch gedit nicht mehr zu der 2er-Reihe kompatibel ist, was die vielen netten Plugins betrifft.

  2. Ich zähl einfach mal auf, wies mir grad in den Sinn kommt:

    • Hab ich Ruhe/läuft das System stabil? (keine Abstürze, Updates laufen problemlos durch)
    • Ist es einigermaßen weit verbreitet? (wichtig bei Problemen jeder Art und bei exotischeren Paketen; Lösungen für beides sind für Debian Stable wahrscheinlicher als für eine exotische Minimal-Distro)
    • Komm ich als Nicht-Informatiker da mit? (Linux from Scratch wär mir zuviel Arbeit, Gentoo/Arch gehen grad so…)
    • Kocht die Distro ihr eigenes Süppchen oder hält sie sich an Distro-übergreifende Standards? (Ubuntu scheint ja inzwischen auf einem sehr eigenem Weg zu sein.)

    In knapp zehn Jahren hab ich mich so durch quasi jede einigermaßen weit verbreitete Distro geackert, bin inzwischen wieder bei Debian Stable mit vergleichsweise individuell konfiguriertem Gnome 2 angelangt. Wenn ich neben dem Desktop für Bürokrams ein Netbook dauerhaft im Einsatz hätte, würd ich je nach verfügbarer Zeit darauf Arch laufen lassen. Einfach um auch mal was anderes zu sehen.

  3. @Andreas: Gute Kriterien, finde ich!

    @asaaki: In der Tat ist einer der Wermutstropfen an Gnome3, daß viele Programme, die sich bei Gnome2 ins Panel gehockt haben, nicht mehr tun :/ z.b. mein geliebter Pomodoro-Timer tomighty.

    Und Du wirst lachen, auf der Liste der Distros, die ich mal ausführlicher, nicht nur auf einer LiveCD, probieren will, steht auch ArchLinux.

  4. hallöchen,

    ich denke, arch ist wirklich interessant für dich. zumal du sound aufm rechner machst. da hat arch die nase vorn, was stabilität und aktualität anbelangt. wird nicht umsonst viel im professionellen soundbereich eingesetzt (nach brummer, der ist dir vielleicht aus diversen soundforen bekannt)

    oder mach mal eine minimalinstallation und schaufel nur drauf, was du brauchst. ich hab meinem tonstudiorechner auf ner neuen partition eine debian-sid-minimalinstallation gegönnt. mit blackbox als fenstermanager. minimalst und schnellst. da laufen uralte krücken plötzlich wie ne feuerwehr auf alarm. das wird wohl mein neues musik-produktivsystem werden …

    so mag ich das!

    ansonsten kann ich mich andreas´ kriterien nur anschließen.

  5. ach ja, ich vergaß: gentoo würd ich nicht empfehlen. das, was ich in musik-foren so gelesen habe, ist meist das gleiche lied: viel frickeln. und zwar so viel, dass man eher frickelt als musik macht. das macht zwar spaß, ist aber ein unglaublicher zeitfresser. und vorteile für den produktiven einsatz scheint das kaum zu bringen.

    die leute, die auf gentoo musik gemacht haben, gehen meist wieder von gentoo weg. mit eben dem fazit, dass gentoo viel zuviel zeitaufwand bedeutet (vor allem, wenn ich an deine 48 stunden denke …)

    du hast ja min. zwei rechner: einen einzigen für sound, minimalst aufgesetzt mit arch oder debian-sid und für alles andere den anderen rechner nehmen. dadurch minimiert man das risiko, dass sid oder arch all zu instabil werden und fährt trotzdem eine sehr hohe aktualität. bei sid das apt-pinning nicht vergessen.

    und sounddistris sind aus meiner sicht nur was für linux-anfänger, und der bist du nicht mehr …

  6. und lass gnome bei alten rechnern für sound weg, gnome ist einfach ne fette sau und macht alles viel zu langsam. der frisst einfach zuviele ressourcen. blackbox, awesome, fluxbox … das sind die richtigen kandidaten meiner meinung nach, die ich dir hiermit aufdränge 😉

  7. Das mit meiner Rechner-Situation stellt sich doch ein bißchen anders dar. Ich besitze zur Zeit einen Desktoprechner und ein Netbook. Das Netbook ist toll, um es mal mitzunehmen oder um auf dem Sofa, im Bett etc. an Artikeln zu schreiben, für „richtige Arbeit“ mag ich mich dann doch lieber an den Desktop-Rechner setzen. Die gut 4x größere Bildschirmfläche reißt echt was raus. Maus, Tastatur und Bildschirm umstöpseln und das Netbook an den Bildschirm hängen macht dann wiederum viel Arbeit. Deshalb denke ich manchmal schon über dual boot (eine speziell für Studiozwecke eingerichtete Installation – debian testing zum Arbeiten) nach. Das mit „Multimediadistributionen sind für Anfänger“ würde ich so nicht unterschreiben. Durch das Linux-Soundsystem bin ich nämlich noch nicht ganz durchgestiegen und im Moment will ich mich auch nicht mit den Feinheiten der Installation eines Realtime-Kernels auseinandersetzen, sondern lieber Musik machen.

    Und dann gibt‘ da noch ein paar räumliche Problemchen, aber über mein Setup, seine Beschränkungen und was daran nervt, ist eh einmal ein Blogpost fällig.

  8. hallöle ryuu,

    jau, das hört sich gewaltig nach dualboot an. eine partition nur für ein sound-„os“. und rt-kernel kompilieren ist zumindest unter debian ein kinderspiel (im ernst). hier das howto:

    http://wiki.debianforum.de/Realtime_Kernel

    ich hab damit auf meinem alten rechner (5 jahre alt) latenzen zwischen 5,8 und 10ms. völlig ausreichend. mit irgendeinem mörderischen feintuning des kernels ließe sich bestimmt noch mehr rausholen, das übersteigt allerdings meine kenntnisse. und ich brauch es nicht.

    sound auf irgendeinem os bedeutet immer sehr viel einarbeitungszeit, egal welches os und egal welcher rechner. ich nehm am liebsten das, worauf ich mich verlassen kann und wo es eine große community für gibt. und das ist für mich eben debian. arch hat das auch, kenne ich aber nur vom hörensagen. ist als os viel mehr arbeit als debian. von wegen 48 stunden …

  9. @ryuu: SIDETOPIC > Du hast Pomodoro erwähnt. Hast du hierzu schon Erfahrungen gesammelt und wie fühlt es sich für dich an? (Hast du bereits einen Artikel dazu?)

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