FAWM Blogging, Folge 10: Transpiration.

Ich bin außer Gefecht. Naja, zumindest stimmlich. Wie ich im letzten Post schon angedeutet habe: Mich hat die Erkältung erwischt und mit einem großen Hammer zugeschlagen. Seit Dienstag habe ich jetzt nicht singen können. Was mache ich also? Eine Menge. Mit Elektronik basteln, zum Beispiel. Instrumentals entwerfen. Songtexte schreiben.

Und dabei ist mir (mal wieder) aufgefallen, daß das Bild vom kreativen Genie schief ist und was am Diktum von Kunst als „10% Inspiration, 90% Transpiration“ dran ist. Wenn ich einen Song schreibe, dann ist natürlich der kreative Impuls als Anfang da. Der allein macht aber noch keinen Song. Da ist vielleicht ein Titel, ein Thema, eine Textzeile, die mir im Kopf rumspukt, eine Akkordprogression, auf der ich beim improvisierenden Rumklimpern hängen bleibe.

Dann gibt es ein paar Entscheidungen, die getroffen werden müssen: Versmetrum (drei-, vier-, fünfhebig? Blankvers oder Hexameter?), Reimschema (soll der Text sich reimen? Wenn ja, in welchem Schema?), Songstruktur (Vers und Refrain abwechselnd? Soll der Song ein Intro haben? ein Outro?), Tonalität, Taktart? Wie komplex oder simpel wird der Song – einfach nur eine Gitarrenspur und eine Singstimme oder eine volle Produktion mit Synthesizer, Drums, mehreren Gitarrenspuren, Lead Vocals, Backing Vocals und Effekten?
Dabei helfen mir Werkzeuge wie: Bekannte Schemata (Kadenzverhältnisse z.b.), Reimlexika, die FAWM Muse Tools (besonders Lyricloud und Struxxure), Wörterbuch (mein verläßlicher Helfer ist dict.cc), Thesaurus.

Beim letzten Songtext etwa war der Titel als erstes da. Ich wußte, daß er auch in den Refrain muß. Ein paar Tage lang schrieb ich unsortiert alle möglichen Fragmente auf, die mir zu dem Thema einfielen. Dann überlegte ich mir den Aufbau: Erste Strophe – was zur Geschichte der Teleskope. Zweite Strophe – wo die heute hingebaut werden. Dritte Strophe – Weltraumteleskope und Astronomie in nicht-sichtbaren Spektren. Vierte Strophe – was $mensch auf astronomischen Bildern alles sieht. Das grob vierhebige Metrum ergab sich von selbst, die Reimlosigkeit kam mehr oder weniger daher, daß es mir zu anstrengend geworden wäre, auch noch zu reimen. Tja, und für die erste Strophe habe ich Wikipedia bemüht, sonst wäre ich nicht darauf gekommen, nicht nur die Jupitermonde, sondern auch die Phasen der Venus und die Mondkrater mit Galileo und seinem Fernrohr in Verbindung zu bringen.

Macht das Arbeit? Ja. Macht diese Arbeit Freude? Ja, obwohl es Punkte gibt, an denen $mensch den Griffel am liebsten hinschmeißen will und das vielleicht auch tut, wenn’s keine Verbindlichkeit nach außen gibt. Zeit und Energie braucht sie aber trotzdem.

Dann habe ich gestern in ganz alten Textentwürfen gewühlt. Uh. Abgrundtiefe Düsternis. Es wundert mich nicht, so wie es mir in der Zeit ging, als ich diese Texte geschrieben habe; trotzdem ist es noch einmal eindrucksvoll, Zeugnisse aus dieser Zeit nochmal in der Hand zu haben. Irgendwie verdränge ich dieses Leid ja doch gerne.
Mal sehen – vielleicht poliere ich ein paar davon und vielleicht hat irgendwer von der kleinen FAWMenden Metallermeute Bock, daraus was Fieses, Finsteres, Doomiges zu machen. Mir fehlt dazu die E-Gitarre, die diese Texte eigentlich brauchen, und die Fähigkeit zum Deathmetalgrunzen. (Ich seh’s kommen. Irgendwann zieht noch was Sechssaitiges mit Elektrik bei mir ein, es ist nur eine Frage der Zeit.)

Update zu meiner halbgaren Elektronik: Jens von The Mighty Meadows hat ein bißchen an dem Stück gearbeitet und was rausgekommen ist, gefällt mir sehr gut.

Ach ja, und meine neuen Kopfhörer sind inzwischen angekommen. Die Investition hat sich gelohnt! Damit Mahler zu hören, war eine Offenbarung.