Statusmeldung
Es ist Frühling und ich reibe mich an meiner Umwelt. Meine Sinne sind zu empfindsam, ich nehme zu viel wahr, bin anders geeicht, ich fühle mich meiner weniger sensitiven Umwelt gegenüber als unerklärlich, meine Bedürfnisse nicht verständlich zu machen. Ich weiß, wie ich funktioniere und spüre einmal wieder allzu genau, daß das nicht vorgesehen ist. Nicht verständlich für Menschen, die mit weit weniger Wahrnehmung und Aufmerksamkeit durch die Welt gehen, die geneigt sind, zu sagen, ich soll mich mal zusammenreißen, mich nicht so anstellen, keine Extrawurst braten.
Mein Körper spricht Klartext. Nachdem ich ein paar Schulmediziner_innen auf den Wecker gegangen bin, werde ich mir sicherer und sicherer, was die Ursachen bestimmter Malaisen angeht, die mich jetzt schon seit Monaten plagen. Jetzt fehlt nur noch der Freiraum, was zu ändern.
woher weisst’n du so ganz genau, wie unsensitiv die anderen sind?
Um ehrlich zu sein: ich weiß es nicht genau. Es gibt nur so Eindrücke – kleine Akte der Unaufmerksamkeit von meinen Kolleg_innen, oder eine (derzeit) hippe Büro-(Un)Kultur, mit der ich so gar nicht klarkomme – wo alles „kommunikativ und offen“ sein muß, Glaswände, offenstehende Türen, Großraumbüros, Musik hören bei der Arbeit usw. (OK, das mit der Musikbeschallung habe ich abwenden können.) Oder daß ich auf meine Beschwerden über zuviel Lärm und Gerömmel hin das Feedback bekomme: „wieso, wozu gibt’s Kopfhörer?“. Und ich glaube, ich muß das „meine Umwelt“ präzisieren auf dem Arbeitskontext.
Ich glaube, ich sollte nicht in mein Blog jammern. Mit solchen Befindlichkeitsposts, wo ich nicht die Zeit investieren kann, zu differenzieren und das Subjektive mit der Realität abzugleichen, kotze ich viel zu leicht Leute an, die eigentlich gar nicht gemeint sind.
Ich weiß SO genau, was du meinst mit dem Übermaß an „Offenheit und Kommunikation“ in modernen Büros… Ich habe an meinem Arbeitsplatz ähnlich geklagt und bin ähnlich als „zu empfindlich“ rezipiert worden. Teilweise von zuhause aus zu arbeiten (was technisch und organisatorisch ohne weiteres möglich wäre) wurde mir ebenfalls nicht gestattet. Mit Kopfhörer (= Musikbeschallung) kann ich auch nicht konzentriert arbeiten. Inzwischen habe ich durch glückliche Zufälle wenigstens eine schließbare Tür an meinem Büro, werde aber trotzdem erst nach Feierabend der meisten anderen Menschen in dieser Firma ernsthaft produktiv (falls ich dann nicht schon zu sehr in meinem Energiesparmodus festhänge).
In anderen Worten: I can relate, und: gut zu wissen, dass ich nicht die einzige bin!
Nun, wenn’s für einen „Hach, ich bin nicht allein“-Moment gut war, dann war dieser Befindlichkeitspost ja nicht vergebens… Für mich ist es auch gut zu wissen, daß ich nicht die einzige bin, die mit diesem kommunikativ-offen-sozial ohne Räume für Rückzug und fokussierte Kopfarbeit schlecht klarkommt.
Und das mit dem Produktivwerden, wenn die anderen Feierabend machen – das kenne ich sooo gut! Manchmal dauert’s allerdings, bis die „Büro-Demenz“ sich wieder verzieht und meine intellektuelle Power wieder zur Verfügung steht.