Ein Bruchstück über symbolische Ordnungen und Fiktionen
Antje Schrupp hat da mal wieder etwas sehr interessantes geschrieben: Die neue Lust auf Patriarchat Im letzten Absatz spricht sie etwas an, das mir sehr wichtig erscheint: Nach wie vor bewegen sich Filme, Bücher etc., also fiktionale Kunstwerke, in patriarchalen Szenarien – was sie am Beispiel von „A Song of Fire and Ice“ durchdekliniert.
Ich glaube, diese patriarchalische symbolische Ordnung ist uns einfach vertraut, und genau das Erschaffen einer symbolischen Ordnung gegen jene an, die mir ansozialisiert wurde ist das Anstrengende daran, alternative symbolische (Un)Ordnungen zu denken.
Es ist wie das Ausbrechen aus tief eingefahrenen Gleisen. Ich glaube, der Grund, warum das Lesen von Schmökern, die zutiefst patriarchale Strukturen abbilden, mich nur in einem Maß anstrengt, das sie durchaus als entspannte Urlaubslektüre tauglich macht, ist: es ist eben immer noch eine vertraute Ordnung, in der zu denken einfach ist; Geschichten, die mir zu fremde Ordnungen bemühen, gestatten mir nicht, auf mir vertrautes Wissen, wie die Welt funktioniert, zurückzugreifen und sind daher irgendwann anstrengend.
Was mich dagegen an patriarchalen Geschichten anstrengt, ist, daß sie mir ständige „Übersetzungsarbeit“ abverlangen und/oder mir gar keine Identifikation gestatten, vor allem da nicht, wo es um heterosexuelle Liebesgeschichten geht; und gerade der intensive Konsum von Filmen, die tief und unreflektiert in dieser Ordnung stecken, beschert mir irgendwann ein Gefühl von Entfremdung, das deutliche Gefühl, daß ich da kulturell geleugnet werde. (Für mich, mit meinem Begehren, setzt sich das übrigens in den meisten Lesbenfilmen fort, denn femme-femme-Begehren wird dort auch nicht abgebildet.)
An anderer Stelle sagte ich dazu:
Angesichts diverser Fan-Trailer für einen Silmarillion-Film juckt es mich ganz gewaltig in den Fingern, Fanfiction zu schreiben und dabei gendertechnisch so viel wie möglich durcheinanderzubringen. Außerdem müssen dann lesbische und schwule Liebesgeschichten rein. So.
Angesichts der Voraussetzungen des Silmarillion wäre das noch einmal eine andere Baustelle: In der Hinsicht würde ich ja innerhalb der symbolischen Ordnung, die auch da eine patriarchale, männer-zentrierte, heteronormative ist, bleiben und nur Geschichten erzählen, in denen Charaktere quer zu dieser Ordnung oder dagegen an agieren. Wollte ich wirklich das Potential der Fantasy, ganz andere gesellschaftliche Ordnungen zu denken, ausnutzen, müßte ich konsequenterweise meine eigene Welt bauen.
Ohja es war richtiggehend überwältigend als ich erstmals über queere & genderqueere (Charaktere in) fiction gestoßen bin. Dieses Gefühl „oh es gibt mich ja doch“….. vorher wußte ich gar nicht so deutlich, was ich vermisse; inzwischen mag ich heteronormative Geschichten gar nicht mehr richtig lesen/angucken :S Ich fänd’s klasse wenn du queere fanfic schreibst. 🙂
der gedanke, der sich an antjes und dein posting anschließt, kam uns gestern abend, als es um die planung der nächsten kinogänge ging: hobbit: die jungs, die zwei, die da waren, bekamen glänzende augen und nahmen kampfszenen auseinander, während wir weibsbilder uns erinnerten, dass wir entweder rausgegangen waren oder gerade dieses szenen unabhängig ihrer bildlichen qualität unsagbar langweilig fanden und der ausblick auf weitere 6 stunden (teil 2 und 3) nicht wirklich zu jubelausbrüchen animierte. mich öden solche bücher an, ich muss sie lesen, weil cih sie verkaufe, ich muss wissen, wie sie gestrickt sind. aber gerade die aktuelle literatur, sei es gut recherchiertes mittelalter (hebamme) oder shades oder „pink hotel“: es geht um heteronormalen sex bis hin zur perversion, da meist mit frauen als unterlegenen part; wenn queere menschen auftauchen, haben die idr einen an der waffel oder sind die immer mitfühlenden besten freundkerle der hauptdarstellerin, gähn. fantasy: guck die cover an und du weißt worum es wie geht. eine wirklich ausnahme ist auch beim blick in die regale der frauenbuchläden nicht wirklich auszumachen.
Wenn du queere Fanfiction schreiben willst – bitte schreibe sie!
Aus Autorensicht: Die Fantasy-Autorin Christel Scheja schrieb mir mal ziemlich unverblümt, dass Fantasy meisten in einem „Märchen-Mittelalter“ spielt. Daraus folgt, dass selbst feministische Autorinnen sowohl die patriarchalischen Strukturen des europäischen Mittelalters wie die Klischees der gewohnten Märchen einfach reproduzieren – und das Leserinnen bereit sich, Schilderungen zu goutieren, die in „Gegenwartsliteratur“ Aufschreie der Empörung nach sich zögen.
Im „Nachbargernre“ Science Fiction scheint es deutlich einfacher zu sein, mit diese Klischees zu brechen. Allerdings sind weite Teile der SF dermaßen „sexfrei“, dass sich die Frage gar nicht stellt. Und wenn nicht: Im Zweifel sind es dann Aliens oder total „abgespacete“, weit von allen unseren Alltagserfahrungen liegende Zivilisationen, in denen dann „queere“ Sexualität praktiziert wird. „Exoten und Extraterrestrier machen so was, keine Leute wie Du und ich … „
In historischen und pseudohistorischen Romanen ist die Versuchung groß, von den patriachalen Strukturen vorgegebenen Rollen durch besonders „starke Frauen“ zu durchbrechen. Ich schreibe gerade an einem Roman, in dem zwei Piratinnen vorkommen. Mir ist klar, dass sie Projektionen meiner (männliche, patriarchalisch geprägten) Phantasie sind, und dass man („mann“ vielleicht eher nicht ; ) das ihnen auch anmerkt. Das heißt, an einer völlig „eigenen“ Welt, die aber viel „realistischer“ und lebensnaher sein müsste, als die Szenarien der von mir erwähnte SF, führt wohl kein Weg vorbei.
@rumpel: Ich mag bis zu einem gewissen Umfang Kampfszenen. Mein Blick darauf ist wahrscheinlich ein spezieller, seit ich mal selbst Kampfkunst trainiert habe (Jiu Jitsu, Ju Jutsu, Grundlagen von Modern Arnis, Kendo) – hektisches Gekloppe und Geschieße, wo ich keine einzelnen Aktionen sehen und nachvollziehen kann und nur Bildfolgen um die Ohren gehauen kriege, langweilt mich auch irgendwann.
Ich mag bisweilen (also nicht immer und pauschal) Geschichten, die in militärischen Umfeldern angesiedelt sind.
Meine Kulturkritik hat zumindest in dem Punkt nichts mit dem Gehalt an Kampfszenen zu tun. (Daß ich mal einen anderen Fokus als das Kriegerische schön fände, steht auf einem anderen Blatt.)
@Martin: Nun, IMHO kann auch eine „sexfreie“ Geschichte Grundannahmen über die Gesellschaftsstruktur (z.B.: wie sind Familien strukturiert, wer lebt mit wem und wie) transportieren – vollkommen implizit, allein z.B. durch die Auswahl und Darstellung von Protagonist_innen.
Und das mit dem Märchen-Mittelalter klingt mir sehr plausibel. Es würde mich jedoch gar nicht wundern, wenn das Gesellschaftsbild aus den Märchen, die heute viele kennen, pures 18. oder gar 19. Jh. ist.