Religion ist keine Ausrede für *istische Kackscheiße.
Achtung: Rant. Ich muß mir da gerade was vom Herzen schreiben.
Im Moment quillt meine Timeline über von Tweets über die Petition Zukunft – Verantwortung – Lernen: Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens (Triggerwarnung: Homophobie und Heterosexismus der übelsten Art).
Hintergrund ist der Aktionsplan „Für Akzeptanz und gleiche Rechte“ in Baden-Württemberg. Bildungspläne werden dabei als Schlüsselfaktor eingeordnet. Auf gut deutsch: es soll einfach Aufklärungsarbeit in den Schulen stattfinden.
Und diese Aufklärungsarbeit wird vom Initiator dieser Petition als Propaganda für eine „Ideologie des Regenbogens“ hingestellt.
Ich lese Tweets wie diese:
Mit heulendem Teenager telefoniert, dessen Klassenlehrerin #idpet unterschrieben hat. Jetzt hat er Angst davor, in die Schule zu gehen.
— Nele Tabler (@Nele_Tabler) 4. Januar 2014
Mußte heute Jungheteros die Angst vor der Schwulmachspritze nehmen. Die Relilehrerschaft redet gschlossen nicht mehr mit mir. #idpet sucks!
— Lisbeth (@Dande_Lisbeth) 8. Januar 2014
und denke mir: Da Fuq? Es ist 2014 und wir schlagen uns immer noch mit diesem Scheiß herum? Menschen können zum Mond fliegen, aber nicht sich gegenseitig einigermaßen anständig behandeln?
Ich bin’s echt leid. Backlash nach Backlash und Religion ist in 99% der Fälle die treibende Kraft. Dabei muß das nicht so sein. Es gibt genug Theolog_innen, die keine theologische Rechtfertigung mehr für eine Verurteilung von Homosexualität sehen.
Immer noch müssen sich Christ_innen in der evangelischen Kirche (wie es mit der katholischen aussieht: keine Ahnung – aber vielleicht hat ja jemand von den Leser_innen da Erfahrungen?) Bitten anhören, zu bleiben und die Kirchen von innen zu verändern (vgl. hier). Ich habe Respekt vor denen, die diese Engelsgeduld haben – mir wäre, wäre ich je Mitglied einer christlichen Kirche gewesen, der Geduldsfaden wahrscheinlich schon vor zehn, 15 Jahren gerissen.
Ich war jedoch nie Teil einer christlichen Kirche und bin sehr froh um die religiöse Offenheit, mit der ich aufwachsen durfte; sehr froh auch um die grundsätzliche Offenheit und Akzeptanz in puncto Körper und Sexualität, mit der ich groß geworden bin. Um so schlimmer erwischen mich Körperfeindlichkeit, repressives Denken über Sexualität und Homo- und Transfeindlichkeit jedesmal kalt – ich war lange Zeit einfach nicht darauf vorbereitet und auch heute habe ich das eigentlich nur durch Social Media in seiner ganzen Gewalt auf dem Schirm.
Ich lasse anderen Leuten gerne ihren Glauben – sofern sie mir meinen lassen. Aber da, wo exakt dieser Glauben anfängt, mich abzuwerten, spätestens da, wo aus diesem Glauben menschenfeindliche politische Schlußfolgerungen gezogen werden, da gehe ich auf die Barrikaden.
Und es kommt dazu, daß ich da mit so ein paar Gottheiten im Bunde bin (deren Namen leider für viel zu viele Leute mit ebenso rückwärtsgewandten Assoziationen verknüpft sind). Manche Leute nennen das Religion. Es hat zwar mit dem gängigen Verständnis von Religion nichts zu tun, die Verehrung dieser Gottheiten ist auch nur ein Teil, noch nicht mal ein zentraler, einer kulturellen und sozialen Praxis, die ich mit ein paar Gleichgesinnten erschaffe, aber es ist trotzdem ein wichtiger Teil meines Lebens. Und ich möchte mich gern solidarisch verhalten mit queers of faith.
Ich hätte bitte gerne einen säkularen Staat. Religion sollte Privatsache sein. Und ich bin’s auch leid, daß Religion immer herhalten muß als Ausrede für die reaktionärsten Ansichten, die es gibt. Religion IST keine Ausrede für *istische Kackscheiße. Punkt. Und wenn davon das Abendland untergeht, dann hat es seinen Untergang verdient.
Links
- Let’s talk about LSBTTIQ, Baden-Württemberg
- Kotzen über #idpet – Protestbrief an das Kultusministerium BW und Landtagsabgeordnete
Nachtrag (9.1.2014)
Es wäre ja jetzt ein leichtes, zu behaupten, daß das alles evangelikale Spinner_innen sind und die mal ihre Theologie reparieren sollen. Aber so einfach ist es nicht. Die Ablehnung von Homosexualität mit religiösen Argumenten wird auch in Mainstream-Konfessionen weithin vorangetrieben. Es ist mal wieder die vielbeschworene Mitte der Gesellschaft (bzw. diejenigen, die sich dafür halten), in der das Abscheuliche im Gewand des Frommen zuhause ist. Die Argumentation mit „fringe groups“ zieht nicht.
Und dann entsinne ich mich mit Schaudern an eine Podiumsdiskussion 2008, auf der ein offen schwuler evangelischer Pfarrer aus dem Prenzlauer Berg sinngemäß erzählte: „Meine Kirche ist sonntags brechend voll, aber ich falle regelmäßig vom Stuhl, wie konservativ die Leute sind.“ Scheint so, als sei der kein Einzelfall.
tl;dr: Religiöse Leute: Repariert mal Eure Religionen, Gläubig-Sein ist keine Ausrede für menschenverachtende *ismen.