Internetnostalgie.

Ich bin gerade internet-nostalgisch. Ich vermisse gut moderierte, heimelige Foren und die Diskussionen dort. Ich vermisse intellektuell anregende Debatten in IRC-Channels. Ich vermisse konstruktive, schöne Blogkommentar-Diskussionen und Beiträge, die sich aufeinander beziehen. Ich vermisse die Diskussionen, die eine auch nach 5 Jahren noch nachlesen kann, weil sie mir das Gefühl geben, auf was aufbauen und mich auf was beziehen zu können; weil ich ohne das öfter mal das Gefühl habe, dieselben Basics wieder und wieder zu erklären, anstatt die Debatte weiterführen zu können.

Ich mag gerade die Flüchtigkeit von Twitter und Facebook nicht, das Jetzt-oder-Nie, das Sofort-Reagieren-Müssen, weil ich einen interessanten Tweet vielleicht in zwei Stunden nicht wiederfinde, was dazu führt, daß ich eher unausgegorenes äußere, als wenn ich eine Forendebatte oder einen Mailaustausch vor mir hätte, wo ich über eine Antwort auch mal schlafen kann, den Strohfeuer-Charakter von Debatten: Ohne eine Bearbeitung und Begleitung in andere Medien (wie geschehen z.B. bei der #aufschrei-Aktion) verpufft eine Twitter-Debatte gerne mal wirkungslos und ist nach ein paar Tagen nicht mehr auffindbar.

Andererseits sind Twitter und Facebook cool, um schnell Anregungen zu bekommen, schnell eine Debatte lozutreten, und die nahezu sofortigen Reaktionen sind manchmal wirklich toll. (Doch gerade auf das, wo ich mir dringend eine Reaktion wünsche, kommt auch mal so gar keine. Wenn ich also wirklich eine instantane Reaktion will, muß ich mit synchronen Kommunikationsmitteln – Telefon, Skype, Teamspeak, G+-Hangout – andere Menschen kontaktieren.)

Was das Bloggen betrifft: Es ist ja, meine ich, nicht so, daß ein Blogtext ein perfektes Stück Feuilleton sein muß, und es ist auch nicht so, daß so ein Text so angelegt sein darf, daß erst mit Kommentaren ein Stück draus wird (eine gute Kommentarkultur und eine anständige Moderation vorausgesetzt). Vor Twitter habe ich auch kurze Äußerungen per Blog in die Welt gepustet, die ich heute Twitter anvertraue.

Auf meine letzten Blogbeiträge hier habe ich zwar immer mal einen Kommentar von den üblichen Verdächtigen 🙂 aus meinem digitalen Umfeld bekommen, aber wirkliche Diskussionen kamen nicht zustande. Erst recht bekam ich keine Trackbacks. Und nach dem Paßwort für meine geschützten Einträge hat genau eine Person gefragt. Drüben auf riesenheim.net sieht’s genauso aus, und das frustriert mich.

(Klarstellendes edit, 24.05.2014: Mich frustriert der Mangel an Resonanz auf riesenheim.net eigentlich sogar mehr als hier.)

Ich frage mich ja, ob es einfach nicht mehr interessant ist, was ich schreibe, oder ob ich meine Leser_innen mit Komplexität erschlage. Oder ob halt einfach niemand mehr in Blogs kommentiert oder es an sonst irgendwas liegt… Vielleicht bin ich ja nur in meiner Eitelkeit verletzt? Vielleicht findet das alles anderenorts, und nicht nur in kleinen, relativ abgeschlossenen Blasen, statt? Sagt’s mir!

tl;dr: Ich bin eine alte Schachtel, die die Internetkultur vermißt, in der sie digital sozialisiert wurde.

3 thoughts on “Internetnostalgie.

  1. Mir geht es ähnlich, und dass ich nicht der Einzige bin, dem das so geht, beruhigt mich. Die Angst, ein „Fossil“ zu sein, den Anschluss (an was?) zu verlieren, die kennee ich auch. Hinzu kommt eine Angst, die mir das Bloggen verleidet: die Angst, mich um Kopf und Kragen zu bloggen. Das „Schöne“ an facebook / twitter usw. ist ja, dass sich „Peinlichkeiten“ schnell „versenden“ und sich normalerweise niemand die Mühe macht, so etwas zu Tage zu fördern (die viel bemühten Personalchefs auf den Suche nach peinlichen Partyfotos sind, nach der glaubwürdigen Auskunft von Personalauswahlfachleuten, ein Medienphantom).

    Was mein mangeldes Interesse an Deinem geschützten Beitrag angeht: Ich so viel mit mir selbst zu tun (bzw. stehe mir selbst so sehr im Wege), dass ich schwierigen menschlichen Themen, vor allem, wenn sie Freunde betreffen, aus dem Wege gehe. Ganz egoistisch formuliert: ich fürchte mich davor, dass das, was ich in Deinem geschützten Beitrag lesen könnte, mich emotional belastet.

    Martin

  2. Hallöchen,

    ich mache mal was, was ich relativ selten mache. Ich schreibe einen Kommentar 🙂 Und das wollte ich hier schon zwei, drei mal machen. Da treffen sich für mich aber ein paar Probleme. Zum einen bin ich ziemlich demotiviert überhaupt Kommentare zu schreiben. Das hat was damit zu tun, dass ich es bei Blogs mit vielen Kommentaren kaum schaffe an der Debatte „dran zu bleiben“ und viel zu oft so bescheuerte, ignorante … Kommentare kommen, dass ich Kommentare oft auch erst gar nicht lesen. Zum anderen fällt es mir schwer Kommentare zu schreiben. Gerade wenn ich angeregt bin finde ich es immer schwer alles zu erfassen, es zu ordnen und einen verständlichen Text draus zu machen. Das braucht bei mir immer viel Zeit, dann vergeht ein Tag, und ich habe es wieder vergessen. Und das passiert mir (viel zu) oft.

    Dass ich hier also bisher nicht kommentiert habe hat also vor allem was damit zu tun, dass ich es nicht hinbekomme, auch wenn ich manchmal gern möchte :/

    Heißt das, dass deine Texte uninteressant oder überkomplex sind?? Nein. Finde ich ganz und gar nicht. Ich lese sehr gern „hier“ (also da wo dein hier per RSS rausfällt). Ich mag deine Texte.

    Das ungute Gefühl, was aufkommt, wenn kaum/keine Reaktion auf Beträge kommt kenne ich. Nur hat es glaube ich wenig damit zu tun wie interessant die Beiträge sind. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass ich der einzige bin, der sehr selten mal ’nen Kommentar schreibt, dafür aber aufmerksam liest.

  3. @Martin: Irgendwie mache ich mir gerade in meinem Blog relativ wenig Sorgen um „Peinlichkeiten“, da ich auch hier problemlos etwas löschen oder editieren kann. Vom Editieren mache ich sogar recht regen Gebrauch.

    @gendalus – ja, der Punkt mit bescheuerten und ignoranten Kommentaren kann ich nachvollziehen.

    Und toll, daß RSS noch lebt und genutzt wird <3

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