Gedanken über Sport und Fitness: Body positive fitness?

Vorgestern kam mir so der Gedanke: Es wäre doch spaßig, sowas wie #50tageyoga auch mal für generelles Fitness-/Krafttraining zu haben. Und dann dachte ich darüber nach, welche Diskussionen ich im Zuge der Yogachallenges in meiner Filterbubble toll fand und was ich rund um Sport und Fitness für gedankliche Baustellen habe. Hier ein paar unsortierte Notizen dazu.

Ein Anstoß war auch dieser Artikel: I’m Plus Size and I’m an Athlete von einer Ausdauersportlerin.

Sport und Schlankheitsdiskurse

Ich wünschte, ich könnte mit ehrlichem Gesicht sagen, Gewichtsverlust oder -kontrolle sei kein Motiv für mich, Sport zu treiben. Das kann ich leider nicht ganz. Aber immerhin ist es ein untergeordnetes Ziel; ich nehm’s halt so mit, wenn es passiert und wenn nicht: so what. (Wie es zusammengehen kann, fat positivity für wichtig zu halten [und davon zu profitieren] und gleichzeitig selbst hartnäckig ein paar Kilo weniger auf den Hüften haben zu wollen, das habe ich noch nicht ganz auseinandersortiert. Ich identifiziere mich nicht als dick_fett, obwohl ich nach gängigen Vorstellungen nicht schlank bin, weil ich trotzdem in vieler Hinsicht thin privilege genieße.)

Viel wichtigere Motive sind für mich Wohlbefinden – sowohl, keine Rücken- und Schulterschmerzen zu haben, als auch Streßabbau und ein klarer Kopf – und daß ich mich gerne fit und stark fühle und auch diesen Konzentrationszustand beim Sport mag (ich empfinde ihn ähnlich wie den mentalen Zustand, in den ich beim Musikmachen komme).

Es nervt ganz gewaltig, wenn jedem sporttreibenden Menschen, der_die nicht ganz den gängigen Idealen von Schlankheit entspricht, unterstellt wird, eins triebe Sport, um abzunehmen (egal ob das jetzt zutrifft oder nicht). Ich finde es ein Ding der Unmöglichkeit, daß ich so wenig Sportkleidung in sog. „großen Größen“ sehe. Es pißt mich an, wenn dicken Menschen pauschal Unsportlichkeit unterstellt wird. Und überhaupt, ist es schlimm, unsportlich zu sein?

Mit in diesen Sport-Diskurs spielen natürlich immer auch Gesundheits-Diskurse und Maßstäbe, was und wer denn nun als fit zu gelten hat, und ich fürchte, bei Fitnessdiskursen ist auch Ableismus selten weit.

Gegenderte Präsentation – am Beispiel Kraftsport

Kraftaufbautraining gilt ja klassischerweise nicht als „Frauensport“. Wenn es um Frauen und Krafttraining geht, dann geht in konventionellen Körperoptimierungsdiskursen erst einmal die Beschwichtigung der Angst los, eins könnte „unweibliche“ Muskeln aufbauen. (Gibt’s eigentlich i-wo Forschung über genderspezifische Trainingspraktiken?)

Kraftsport wird, so wie ich das wahrnehme, meistens eher macho präsentiert und für Typen zugeschnitten, und ich muß zugeben, daß mich diese Art der Präsentation anspricht. Früher hätte ich gesagt, daß diese „macho“-Präsentation von solchen Sportgeschichten meine maskuline Seite anspricht, aber mittlerweile weiß ich nicht mehr, ob ich das so erklären will. Vielleicht empfinde ich ein gewisses „Quäl dich, du Sau“ als ehrlich und mag Arten, Sport zu präsentieren, die dabei nicht suggerieren, ich sollte eigentlich fröhlich lächelnd mit perfekt sitzendem Haar und Make Up und ohne einen Tropfen Schweiß durch die Gegend zu hüpfen. Ich mag es sogar, wenn ich nach dem Sport verschwitzt und dreckig bin (um so schöner ist das Duschen hinterher).

Ich sehe auch keinen Grund, warum Durchtrainiert-Sein und sichtbare, definierte Muskeln sich mit Feminität beißen sollen. Deswegen habe ich auch keinen Schiß davor, breitere Schultern oder ein breiteres Kreuz zu bekommen. Ich will eine badass femme sein.

Die kleine Wunschliste: Was würde eine tolle Fitnesscommunity für mich ausmachen?

  • Fitness/Sport mal ohne das Ziel und den Druck, irgendeinem Schlankheitsideal zu entsprechen. Menschen jeder Körperform mit ihren sportlichen und Fitness-Zielen zu unterstützen, ob die jetzt heißen, z.B. irgendwann zehn klassische Liegestütze am Stück zu schaffen, zwei Kilometer in einer bestimmten Zeit zu laufen oder einen bestimmten Ruhepuls zu erreichen.
  • Fitness mit Selbstliebe und Selbstachtung. Auch ein temporäres Sich-selbst-Antreiben bis zum Limit und kurz darüber ist keine Aufforderung, Schmerz- und Erschöpfungssignale des eigenen Körpers zu übergehen, notwendige Regeneration auszulassen, sich zu überanstrengen oder zu trainieren, wenn sich das nicht gut anfühlt (z.B. weil eins gerade mit einem Infekt kämpft). Ich will schließlich trainieren, um mich in meinem Körper wohler zu fühlen.
  • Nicht den Anspruch haben müssen, daß das alles ganz easy und perfekt aussehen muß.
  • Wertungen abzubauen, welche sportliche Aktivität „zählt“ und welche nicht. Das gilt auch für Quantität oder Trainingsfrequenz. Natürlich denke ich mir, daß eine Community auch motivierend wirken soll, aber: Für X. mag es schon eine große Sache sein, zweimal die Woche eine Viertelstunde vor die Tür zu gehen, während W. dreimal die Woche den Abend im Dojo verbringt.
  • Individuelle Voraussetzungen anerkennen und Leute verschiedenster Trainingsstände motivieren – so daß niemand das Gefühl hat, nicht dazugehören zu können, wenn eins bestimmte Leistungen (noch) nicht bringt.
  • Abwesenheit von Reden wie „Menschen dieses und jenes genders sollten diese und jene Art von Körper (nicht) haben/anstreben“ oder „sollten diese und jene Art von Sport (nicht) machen“.
  • Awareness, was die Verflechtung von Gender-, Schlankheits-, Ernährungs- und ableistischen Diskursen angeht: Diese Dinge stecken einfach tief in uns drin und werden von der Mainstreamkultur in bestimmter Weise an uns herangeklatscht. Ich halte es für nötig, über diese Fragen zu reden und auch zu reflektieren, wie diese Diskurse meine Art, Sport zu treiben und über meinen Körper zu denken, beeinflussen; auch, wie ich diese Diskurse mittrage.
  • Und natürlich: Einen Raum zu haben, wo nicht wieder Bilder von weißen, normschlanken Menschen dominieren, sondern Bilder von dicken Menschen und People of Color beim Sport auch vorkommen.

Wie könnte das aussehen? Da habe ich noch keine Ahnung. Mir schwebt da etwas eher niedrigschwelliges vor, z.b. ein Twitter-Hashtag oder ein Gemeinschafts-Tumblr.

Soviel dazu, vielleicht hat ja jemand aus meiner Bubble Gedanken dazu.

9 thoughts on “Gedanken über Sport und Fitness: Body positive fitness?

  1. Ich trage auch schon länger unsortierte Gedanken zu Sport/Gender/Bewegung/Körpern mit mir rum. Ich tanze Standard/Latein, und da fliegt mir das alles auch andauernd um die Ohren, von innen wie von außen.

    Das, was ich da tue, ist zwar nicht so richtig anschlussfähig an eine Challenge à la #50tageyoga, aber ich wäre ggf. für Gespräche/Austausch im Umfeld zu haben.

    Vielleicht ist es mir ja ein Anstoß, einen der vielen angefangenen Texte aus diesem Themenfeld zuende zu schreiben und zu posten.

  2. Was ich, als nicht eben schlanker Mann, wieder einmal festelle, ist, dass ich gegenüber einer Frau mit ähnlicher Figur privilegiert bin. Ich habe z. B. kein Problem, für mich passenden Sportkleidung zu kaufen. Man muss als nicht mehr junger Mann nach meiner Beobachtung schon richtig dick sein, um fürs Dicksein diskriminiert zu werden – bei jungen Männer gibt es allerdings ein „thin privilege“, das bei Übergewicht flöten geht.

    Auffällig ist auch, das keines der gängigen männlichen Schönheitsideale – auch, soweit ich es beurteilen kann, diejenigen in Medien, die sich an Schwule wenden – Untergewicht / extreme Magerkeit vorsieht.

    Gut, das mag eine „Binse“ sein, allerdings beobachte ich schon seit meine Schulzeit, dass nur wenige Männer sportlich aussehende Frauen, die nach „Modemagazin“-Ideal „zu viel Muskeln“ oder „zu breite Schultern“ hätten, hässlich, geschweige denn „unweiblich“ finden. Erst, wenn Frauen Hardcore-Bodybuilderinnen sind oder so aussehen wie die berüchtigten chinesischen Schwimmerinnen, also, wenn mit einiger Berechtigung gesagt werden kann, dass das ohne anabole Steroide nicht möglich ist, sagen die meisten Männer, die betreffende Frau währe häßlich und „unweiblich“. Ich will damit nicht sagen, dass die Mehrheit der (heterosexuellen und bisexuellen) Männer auf muskulöse Frauen „steht“ – das ist wohl nicht der Fall – aber das tatsächliche „Schönheitsideal“ scheint längst nicht so schlank zu sein, wie es Werbefotos usw. nahe liegen. Es ist offensichtlich so, wie mit dem Fettgewebe – ich kenne keinen, ich wiederhole, keinen Mann, der „Hungerhaken“ attraktiv findet, hingegen ziemlich viele Männer, die auf mollige Frauen stehen.

    Wie kommt dann das Schönheitsideal der extrem schlanken Frau in die Welt und offensichtlich auch in die Köpfe?

    Was allerdings auch im „männlichen Kontext“ vorkommt: weiße, schlanke Männer dominieren auch die mediale Darstellung des Freizeitsports, vor allem auch in der Werbung. Sogar mehr als Werbung, die sich an Leistungssportler wendet – bei denen gehören Schwarze und andere People of Color nämlich dazu. Ich vermute, weil einige der Idole, denen Leistungssportler nacheifern, Schwarz sind.

  3. Ich denke mal weiter…

    Martins Suche nach körperlichen „Grenzfällen“ („richtig dick“, „Hungerhaken“, „Hardcore-Bodybuilderinnen“, „berüchtigte chinesische Schwimmerinnen“), die selbst im echten Leben nicht mehr attraktiv gefunden werden (ob nun von Männern oder anderen), löst das grundsätzliche Problem der Körpernormierung (insbesondere für Frauen*) leider nicht, sondern verschiebt es nur in etwas extremere Bereiche.

    Unhinterfragt bleibt hierbei stehen, dass (nicht nur) heterosexuelle Männern* grundsätzlich über die körperliche Attraktivität von (nicht nur) heterosexuellen Frauen* urteilen dürfen, wann immer sie wollen. Und zwar nicht nur NACH dem Sport, wenn die Muskeln schon da sind, sondern immer auch BEIM Sport. Und da macht es unabhängig vom Körperumfang einen erheblichen Unterschied, ob die Person mit den sichtbaren Schweißflecken unter den Armen ein Mann* oder eine Frau* ist.

    Selbst in dem ansonsten sehr diversen und lobenswerten Video zu Frauen* und Sport, das kürzlich die Runde machte (http://www.youtube.com/watch?v=aN7lt0CYwHg), folgt auf „Sweating like a pig“ direkt „feeling like a fox“ und kurz darauf „Damn right I look hot“ – denn auch BEIM Training hat frau* offensichtlich vor allem sexy zu sein (auch wenn „sexy“ hier ausnahmsweise auch nassgeschwitzte Haare und nicht-normschöne Körper einschließt).

    Und was die „molligen Frauen“ angeht: Die sind keinesfalls alle gleichermaßen beliebt. Das kann eins sich z.B. anhand von Plus-Size-Models angucken. Da haben fast alle dennoch „dünne“ Gesichter (also keine drei Doppelkinne) und eine Sanduhrfigur mit großen Brüsten und breiten Hüften. Was eins hingegen nicht als Plus-Size-Model siehst, sind Frauen*, bei denen der Bauch die einzige Kurve am Körper ist, oder welche, die an den Schultern am breitesten sind, oder welche, die keine markante Kieferlinie haben, etc.

    Es ist bei all dem auch unwichtig, ob jetzt jeder individuelle Mann* das auch findet oder persönlich ein anderes Schönheitsideal hat (auch wenn es für individuelle bi-/heterosexuelle Frauen bestimmt trotzdem wichtig ist, dass ihr Partner sie schön findet, so wie sie sind). Aber hier geht es um sexistische/körpernormierende Denkmuster, die für fast alle von uns wirkmächtig sind, auch wenn nicht jedes einzelne Individuum das gleichermaßen schlimm findet bzw. gleichermaßen davon betroffen ist.

    In anderen Worten: individuelle Umgangsstrategien mit sexistischen und körpernormierenden Zuständen sind notwendig und diskutierenswert. Aber letztlich kann die Verantwortung nicht bei der einzelnen Frau* liegen, sich jetzt doch einfach mal von dem ganzen Mist freizumachen und einfach entspannt joggen/boxen/tanzen zu gehen. Und das schwingt für mich immer so ein bisschen mit in diesen Statements, dass real existierende Männer* ja gar nicht alle so ein ganz dünnes Model als Partnerin haben wollen, dieses Schönheitsideal also nicht von ihnen kommen kann.

    Was außerdem untergeht, ist die Tatsache, dass auch in der Zeitschriftenbranche, im Modebusiness und in der Diät- und Fitnessindustrie in der Regel Männer* in den entscheidenden Machtpositionen sitzen, die mit allen Mitteln ihr Zeugs (auch) an Frauen* verkaufen wollen.

    Womit ich sagen will, dass Schönheitsideale nicht einfach so mal eben von ein paar blöden weißen Heteromännern* erfunden werden, sondern dass sie das Ergebnis von sehr vielen zusammenwirkenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Kräften sind. Und ähnlich komplex (und langwierig) ist auch die Arbeit, sie zu verändern.

    (Und dann haben wir noch nichtmal von der einen oder anderen Subkultur angefangen, die innerhalb dieses Gesamtsystems durchaus eigene, von der Mehrheitsnorm abweichende Schönheitsideale haben kann…)

  4. Ich bin kein Jogamensch aber bei einer Aktion zu Kraft- und Fitnesstraining wäre ich dabei. Ich habe schon einige Apps dazu durchprobiert, aber entweder werden die irgendwann nicht mehr gepflegt oder sind mir zu sehr auf spezifische Aktivitäten ausgelegt.

  5. So, Martin, einige Punkte:

    • Es gibt durchaus (v.a. indie-orientierte) schwule Subszenen, die Magerkeit zum Ideal erheben.
    • Schwule Szenen haben ihre eigene krasse Körpernormierung. Und abgesehen von den „Bären“ gehen meiner Erfahrung nach schwule Szenen mit dicken Menschen auch ausgesprochen feindselig um.
    • Dickenfeindlichkeit zeigt sich nicht nur im Bereich Partner\_innensuche oder in der Schwierigkeit, passende und gut aussehende Kleidung zu finden – google mal thin privilege; vor allem im medizinischen Bereich haben dicke Menschen massive Nachteile und dickenfeindliche Mikroaggressionen ziehen sich durch alle Bereiche des Lebens. In diesem Sinne: Wer auf welche Körper steht, finde ich jetzt eher unwichtig.

    Daß einzelne Menschen, u.U. viele einzelne, dem medial verbreiteten Schönheitsideal nichts abgewinnen können, setzt es noch lange nicht außer Kraft.

    Ich kriege auch immer wieder einen Föhn, wenn auf Dickenfeindlichkeit mit „skinny shaming“ („Hungerhaken“) geantwortet wird, denn es kann nicht der Sinn der Sache sein, die Abwertung einfach auf andere Arten von Körpern zu verschieben.

  6. Ich gebe zu, mein Kommentar ist, wie so oft, wennn ich spontan unsortierte Gedanken äußere, nicht in Ordnung. Mein „Skinny Shaming“ ist eindeutig auf meine persönliche Präferenzen zurückzuführen – ich finde personlich stark untergewichtige Menschen häßlich – und übrigens auch stark übergewichtige. Ich sage es mal so, dass ich Extreme verabscheue. (außer Extremen, die quasi „angeboren“ sind, und auf die eins keinen Einfluss hat, z. B. Körpergroße oder „natürliche Hautfarbe“, und übrigens auch Behinderungen). Selbstverständlich weiß ich, dass noch so viele Menschen, die dem „Media Mainstream“-Schönheitideal nichts abgewinnen können, ihm nicht seine Wirkmächtigkeit nimmt. Trotzden setzte ich – spontan und ohne Nachdenken – meine Hoffnung auf diese Menschen, die sich ums „Modediktat“ nicht kümmern – wobei meine „Ästhetik der Extremvermeidung“ natürlich nicht zielführend ist.

    Über „thin privilege“ habe ich mich, neugierig und recherchebessen wie ich nun mal bin, längst theoretisch informiert, aber ich gebe zu, dass ich mir „Bewusstsein“ nicht einfach nebenher anlesen kann. Im medizinischen Bereich gibt es leider Fakten, die ganz klar aussagen, dass starkes Übergewicht, salopp gesagt, krank macht. Daher ist es m. E. okay, wenn mich mein Arzt in dieser Hinsicht unter Druck setzt – genau so, wie gegenüber anderen Formen des selbstschädigenden Verhaltens, wie z. B. rauchen. Allerdings ist es für mich mindestens grenzwertig, wenn Ärzte darauf bestehen würden, dass ich auf einen statistisch ermittelten (und methodisch höchst fragwürdigen) „Norm-Body-Mass-Index“ „herunterhungern“ sollte. Es ist eine komplizierte Materie (und sicherlich rührt meine Abscheu gegenüber Extrem-Bodybuilder/innen und „Magermodels“ auch daher, dass ihre Körper auf selbstschädigendes Verhalten hinweisen).

    Dass sich dickenfeindliche Mikroaggressionen durch alle Bereiche des Lebens ziehen, ist mir – verstandesmäßig – völlig klar; da ich, als nicht mehr junger Mann privilegiert bin, spüre ich selbst davon, trotzt einiger Kilos zu viel, praktisch nichts. Und wenn ausnahmweise einmal doch, nehme ich sie als „Arschlochigkeit“, gegen die nun mal kein Kraut gewachsen ist, wahr – z. B. die unvermeidliche Typen – alles Männer übrigens – die gehässige Kommentare gegenüber meiner Nordic-Walking-Gruppe abgeben („fette Stockenten“).

    Mit schwulen Szenen kenne ich mich praktisch überhaupt nicht aus – seitdem mir massive Bi-Feindlichkeit entgegenschlug, gehe ich Schwulentreffs großräumig aus dem Wege. Was ich allenfalls kenne, sind Körperideale aus schwulen Medien – und die betrachte ich pauschal als ziemlich unrealistisch.

    Die Schönheitsideale der Werbung sind völlig irrational; ich wundere mich immer wieder aufs Neue, wer sie sich warum ausgedacht hat. Ich kenne Experimente mit konstruierten Durchschnittsgesichtern – diese „absoluten Druchschnittstypen“ wirkten auf die meisten Probanden attraktiv. Theoretisch müsste die Werbewirtschaft – die den gesamten Bereich der Kulturindustrie ästhetisch prägte – auf „Durchschnittstypen“ setzen. Fotomodelle sind aber in der Regel keine „gewöhnlichen Menschen“, jedenfalls nicht in der Mode, und auch nicht den Bereichen „Ernährung“, „Fitness“ und“Gesundheit“.

    Vermutlich sind es, wenn ich rationals Entscheidungsprozesse unterstelle, die Gewinnmaximierungsstrategien der Diät- und Fitnessindustrie, die ein extremes, nämlich mit einen sehr niedrigen Körperfettanteil verbundenes, und damit für die meisten Menschen praktisch unerreichbares Schönheitsideal propagieren. Ähnlich sehe ich das bei den „Wunderdiäten“ in Frauenzeitschriften – wäre nicht „mager“ DAS Ideal, dann würde die teils ziemlich brutalen und unangenehmen Diäten nicht auf so viel Interesse stoßen. Meine Hypothese: Mit durchschnittlichen, auch durchaus „hübschen“ Models lassen sich vielleicht Haushaltreiniger oder Rasenmäher verkaufen, aber keine Fitnessprodukte, jedenfalls nicht so viele, wie es die Umsatzerwartungen erfordlich erscheinen lassen.

    Aber vielleicht ist die Industrie gar nicht so rational, wie ich es hier unterstelle.

  7. Sorry, Martin, aber auf dieser Ebene werde ich nicht mit dir weiterdiskutieren. Mir stehen nämlich selbst nach einer virtuellen Runde um den Block immer noch die Nackenhaare zu Berge, wenn ich deinen zweiten Kommentar so lese. WTF.

    Bitte lies ein paar Texte aus dickenaktivistischen (fat activist) Kontexten zum Thema „Gesundheit und Körperumfang“, bevor du hier Dinge verbreitest, die schlicht und ergreifend FALSCH sind. Vielleicht hilft das Stichwort „Health At Every Size“ (HAES) weiter. Oder das Twitter-Hashtag #DiagnosisFat.

    Und selbst WENN sogenanntes „Übergewicht“ tatsächlich auf selbstschädigendes Verhalten schließen ließe: Dann ginge es dich immer noch absolut gar nichts an, dass sich ein anderer erwachsener Mensch selbstschädigend verhält (sofern du nicht direkt davon betroffen bist, z.B. durch unerwünschten Passivrauch in deinen/öffentlichen Räumen). Und falls du mit dem betreffenden Menschen diesbezüglich in co-abhängige Verhaltensmuster verwickelt bist, ist genau DAS dein Handlungs- und Bearbeitungsfeld und NICHT das Verhalten der anderen Person.

    Was ich auch schön fände: Wenn du uns insgesamt weniger davon erzählen würdest, was du am Aussehen anderer Menschen „hässlich“ findest oder gar „verabscheust“. Genau durch solche Aussagen werden (natürlich nicht NUR von dir, aber AUCH von dir) nämlich andauernd und ununterbrochen Körpernormierungen reproduziert. Und das ist einfach IMMER kacke. (Und dabei ist es übrigens echt egal, ob du dabei „großzügiger“ bist als die Mainstreammedien oder nicht.)

    Und zum Schluss: Das ursprüngliche Thema dieses Blogposts war die Frage, wie sich körperpositiv über Fitness/Sport sprechen lässt. Und dazu würde ich für meinen Teil jetzt auch gerne zurückkehren, bevor wir uns in weiteren Fußnoten zur Marketingpsychologie verschiedener Handelsbranchen verlieren. Für mich heißt „körperpositiv“ jedenfalls „positiv gegenüber ALLEN Körpern“, nicht nur gegenüber denen, die ich persönlich attraktiv finde oder für „normal“ halte. Dass eine_r dabei oftmals über die verinnerlichten und im Außen vorhandenen Körper- und Geschlechtsnormen stolpert, gehört leider zum Terrain. Genau das hat Ryuu ja in ihrem Text auch problematisiert. Ich wünsche mir an diesen Stellen jedenfalls ein bewusstes Innehalten und Reflektieren dessen, was da störend im Weg liegt, ggf. verbunden mit der dazu notwendigen Recherche.

    Und wenn sich herausstellt, dass bestimmte Normen dich (oder mich oder sonstwen) einfach nicht negativ betreffen, weil du (oder ich oder sonstwer) in diesem Punkt nun mal privilegiert bist (vgl. z.B. #DiagnosisFat), dann empfiehlt es sich zuweilen außerdem, erstmal im privaten Tagebuch das alles laut zu durchdenken anstatt öffentlich im Internet. So aus Rücksicht und Respekt gegenüber denen, die dieses Privileg eben nicht mit dir (oder mir oder sonstwem) teilen.

    In diesem Sinne frage ich: Was kannst DU jetzt persönlich und ganz konkret tun, um ein körperpositives Gespräch über Fitness/Sport zu unterstützen? DARÜBER würde ich mich nämlich wirklich gerne unterhalten.

  8. Liebe Kommentierende,

    jetzt ist genau das passiert, was ich nicht wollte: Eine Diskussion über Gewicht und Gesundheit und Schönheitsmaßstäbe, während ich eigentlich darüber reden wollte, wie ein body-positive (d.h. ohne ständiges Schielen auf Schlankheits-, Schönheits- und heteronormative Attraktivitätsideale) Austausch über Fitness funktionieren könnte.

    Ich habe gerade nicht den Kopf frei, um auf Martins Kommentare weiter einzugehen. Please hold the line, da kommt noch was.

  9. So. Nun nochmal ausführlicher.

    Lieber Martin, ich war versucht, Deinen Kommentar zu löschen, und habe mich für dieses Mal dagegen entschieden.

    Du gibt gerade ein wunderbares Beispiel für Derailing. Du gibst am Anfang Deines Kommentars zu, daß Dein letzter Kommentar nicht in Ordnung ist, und haust dann mit Schwung weiter in dieselbe Kerbe.

    Es geht in der Diskussion, die ich führen wollte, nicht um Dein – oder überhaupt irgendjemandes – Präferenzen oder ästhetisches Empfinden. Es geht auch nicht darum, ob Dicksein gesund oder ungesund ist. (Dazu übrigens, was Teile des Ganzen schreibt. An diesem Punkt ist auch die Medizin interessengeleitet – Diäten sind schließlich in westlichen Gesellschaften eine rentable und offensichtlich krisensichere Industrie – und Kritik an den medizinischen Diskursen ums Gewicht halte ich für sehr angebracht. Ähnlich wie bei der geschlechtsbezogenen Hirnforschung habe ich nämlich auch beim Thema Gewicht den Verdacht, daß vieles, was popularisiert wird, schlechte Wissenschaft ist oder zumindest sehr kritikable Studiendesigns zugrundeliegen.)

    Bitte reflektiere mal nicht nur Dein heteronormatives Denken (siehe „[Hetero]Männer nehmen sich die ganze Zeit raus, über weibliche* Körper zu urteilen“), sondern auch die sittenchristlichen Aspekte des Gesundheitsdiskurses (salopp formuliert: früher kam eins in die Hölle, heute droht der Herzinfarkt) und Deine Wissenschaftsgläubigkeit.

    Noch einmal: Ich will keine Diskussion über Attraktivität führen. Ich will auch keine Diskussion über Schönheitsideale führen.

    Es geht für mich darum, wie Austausch über Sport/Fitnesstraining aussehen könnte, der genau den ganzen bodyshaming– und gender-Scheiß nicht reproduziert.

    Liebe Grüße ryuu

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