Body positive practice: Wieder ins Training finden und Prioritäten

Content Note: Gegen Ende des Textes kommt das Thema Gewicht zur Sprache.

Gestern habe ich das erste Mal seit einem Monat wieder Krafttraining aus meinem Body Weight Exercises-Programm gemacht. Ich war in dem 10-Wochen-Plan Anfang Februar bei Woche 3 angekommen, allerdings sieht dieser Trainingsplan 4 Trainings pro Woche vor, für jedes Training brauche ich ca. 40 Minuten plus Aufwärmen und Cooldown/Stretching, d.h. ich kann mindestens eine gute Stunde pro Workout rechnen. Das kriege ich zeitlich einfach nicht auf die Reihe, vor allem, wenn ich auch ab und zu eine längere Strecke laufen will (aus Spaß, um den Kopf freier zu kriegen, weil das Draußensein einfach so gut tut, und weil ich auch meine Ausdauer verbessern will). Zwei bis drei Workouts pro Woche sind realistisch(er).

Anfang Februar kam der Infekt, der mich geplättet hat. Eine Woche lag ich flach, die Woche drauf wollte ich noch nach jedem längeren Spaziergang erst mal ein paar Stunden schlafen, dann habe ich mir noch eine Woche Zeit gegeben, mich zu erholen, bevor ich mit dem Sport wieder anfing. Die letzte Februarwoche habe ich dann mit dem Laufen vorsichtig wieder angefangen, und erst jetzt, da ich das Gefühl habe, ich bin mit dem Laufen wieder „drin“, mache ich auch wieder Krafttraining. Um sicherzugehen, daß ich mich nicht überfordere und dadurch vielleicht verletze, bin ich zurückgegangen zu Woche 2 im Trainingsplan.

You Are Your Own Gym schlägt verschiedene Arten von Übungsreihen vor. Eine sind die sog. Ladders, d.h. eins macht erst eine Wiederholung und dann so lange Pause, wie die Übung gedauert hat, dann zwei, Pause (so lange, wie eins für die zwei Wiederholungen gebraucht hat), dann drei …, so lange, bis eins nicht mehr Wiederholungen korrekt schafft, und dann geht es wieder abwärts mit der Anzahl, und dieses ganze Prozedere für eine festgelegte Zeit. Dadurch schafft eins doch eine ganze Menge Wiederholungen. Ladders sind dazu gedacht, Kraftausdauer aufzubauen. YAYOG sieht pro ladders-Einheit siebeneinhalb Minuten vor; eine Zeit, die durchzuhalten mir am Anfang nicht leicht fiel. Die große Überraschung war gestern: Obwohl ich länger nicht dieses Training gemacht hatte und ich auch (vermutlich, ich habe nicht nachgesehen) weniger Wiederholungen geschafft habe als beim Training vorher, fiel mir das Durchhalten bei weitem nicht mehr so schwer wie am Anfang. Das hat mich gefreut.

Daß ich nicht auf Teufel komm raus jeden Tag was Sportliches mache, hängt u.a. daran, daß mir andere Dinge auch wichtig bzw. eigentlich sogar wichtiger sind – in dem Sinne, daß sie mehr mit meiner Lebensvision und dem, wer ich sein will, zu tun haben: Musikmachen zum Beispiel. Februar war FAWM und wegen Krankheit habe ich dort weniger gemacht als die vorherigen Jahre. Und manchmal brennt auch schlicht und ergreifend bei der (freelance-)Arbeit was bzw. ich will auf der Ebene freelancen/#bewerbungsfoo/Bürokratie einfach was vom Tisch haben und stelle das dann an erste Stelle. (Das Arbeit an erste Stelle stellen und deswegen alles andere dafür liegen lassen darf halt nur nicht zum Dauerzustand werden. Derartige Ausnahmezustände fühlen sich scheiße an.)

Ich habe gerade keinen festen Lebensrhythmus, was angeblich ja ganz irre schlecht sein soll. Ich stelle aber fest, daß mich Rhythmisierungsversuche der Art „Du mußt jeden Tag um x Uhr aufstehen und immer montags und mittwochs nachmittags dies, das und jenes tun“ bisher eher eingeengt haben. Durch Termine und Verabredungen mit anderen Menschen kriege ich immer wieder Rhythmus-Impulse, die mir helfen, mich ein bißchen zu strukturieren, und Dinge, die nur zu bestimmten Zeiten gehen – Sport z.B., weil ich das gern bei Tageslicht mache, oder Musik, weil mir die Nachbar_innen aufs Dach steigen, wenn ich nach 20 Uhr noch klassischen Gesang übe – kommt zusätzlich Struktur rein.

Was den Sport angeht, kriege ich meine Sachen auch ohne festen Rhythmus auf die Reihe. Viel schwerer fällt mir das beim Musikmachen, wo mir regelmäßiges und ausgiebiges Üben eigentlich noch wichtiger wäre. Vielleicht liegt’s daran, daß ich beim Sport mehr Möglichkeiten habe, mir positives Feedback zu holen, und das irgendwie gesellschaftlich bzw. in dem Wertesystem in meinem Kopf positiver sanktioniert ist (weil: gesund™, leistungsbezogen, und leider auch internalisiertes fatshaming). Tracking und die Möglichkeit, mir meine Statistiken anzusehen, sind ein großer Bestandteil des „mir positives Feedback holen“. Für klassisches Gesangstraining und Gitarre-Üben empfinde ich lediglich die Belohnung von innen. Wie ich mir da eine ähnliche Art von positivem Feedback selbst holen könnte – nicht nur über Reaktionen von außen auf die Ergebnisse des Übens -, daran knabbere ich noch ein bißchen. Ich will nämlich auch da nicht allzu sehr auf die Leistungs-Schiene rutschen, das Bauchgefühl unterdrücken und zuviel Pflicht ins Spiel bringen; mit Pflicht habe ich ein paar issues … Mal sehen, ob mir da was einfällt.

Ein bißchen blöd fühlte ich mich gestern, weil ich mit meiner Schilddrüsenspezialistin (ich habe 2008 eine – relativ leichte – Schilddrüsenunterfunktion diagnostiziert bekommen) ein bißchen in Gewichtstalk rutschte – Gewichtsveränderungen können (müssen aber nicht) ein Indikator sein, ob sich an der Schilddrüsenfunktion was verändert, und ich habe im letzten Jahr ein paar Kilo zugenommen, deshalb habe ich es erwähnt (sonst konnte ich immer sagen: „Mit kleinen Schwankungen konstant“). Ich hadere eh mit meinem Gewicht und mit internalisiertem body shaming, und dann von einer Medizinerin auch prompt eine wertende Aussage über mein Gewicht zu bekommen, das fühlte sich dann doch irgendwie doof an… Aber mal sehen, was die Laborwerte sagen. Und ansonsten arbeite ich weiter daran, Gewichtsdiskursen und -normierungen öfter, selbstverständlicher und entspannter den Mittelfinger zu zeigen.

Zwei lesenswerte Texte zum Komplex Körper/Ernährung: Distelfliege über Ernährung und Gesundheitsgebote und die Mädchenmannschaft über Körpernormierung in aktuellen Repräsentationen von veganer Ernährung.