Hungrige Gespenster II: Gefühl zeigen?

Ein Argument, das in der Knutschdebatte der letzten Tage aufflammte: „Ja, aber wenn niemand mehr in der Öffentlichkeit Händchen hält oder knutscht, was für eine gefühlskalte Gesellschaft wird denn das dann?“ Dazu habe ich ein gewaltiges Aber, eigentlich zwei: erstens: wir leben in einer ziemliche emotions-inkompetenten Gesellschaft. (Dazu siehe mein Vorschlag unten.) Und zweitens: Gefühle finden nicht nur in Paarbeziehungen statt. Warum soll Zärtlichkeit und körperliche Nähe eigentlich nur im Paket mit romantischen Beziehungen gehen? Und zählt zum Gegenteil von Gefühlskälte nicht auch, daß Gefühle gezeigt werden, die nichts mit Zärtlichkeit für einen bestimmten Menschen zu tun haben? Die emotionale Palette ist nun mal viel breiter, hat viel mehr Schattierungen – und ja, viele Gefühlsregungen sind mit Tabus belegt, deren Ausprägung sich enorm geschlechtsspezifisch zeigt.

Hungrige Gespenster I. Ein Versuch, Emotionswirrwarr zu verbloggen

Heute schwappte so eine Debatte durch Twitter, die mich mitnahm. Es ging um das Privileg heterosexueller Menschen in Zweierbeziehungen, in der Öffentlichkeit zärtlich zu sein (z.B. durch Küssen und Händchenhalten). Normalerweise hätte ich mit in den Chor derjenigen eingestimmt, die sagen: ja, ist ein Privileg und Menschen in Hetero-Beziehungen sollen sich mal Gedanken machen, wieviel Raum sie damit eigentlich einnehmen! Nicht-Hetero-Menschen ernten nämlich recht zuverlässig dumme Sprüche, Beschimpfungen, Schläge und Schlimmeres, wenn sie das tun.

Aber der heutige Tag fällt in eine Zeit, wo meine Haut eh dünn ist und das Herz verwundbar, wo alte Traurigkeit bloß liegt und ich nah am Wasser gebaut bin.