Die Esoterik und ich III: Alles kommerzieller Schwachsinn?

Ich hatte im letzten Teil angekündigt, daß ich noch einiges zur Kritik der Esoterik anzumerken hätte. Und auch zur Frage, ob denn die Seminarszene, der Therapie- und Lebenshilfemarkt das ganze Bild sind, wäre noch etwas zu sagen. Spinnennetz mit Tautropfen Bild: Luc Viatour © GFDL / flickr Die Kritik wird nämlich meistens von Leuten vorgebracht, die nur einen Teil des Bildes sehen und manchmal gar nicht mehr sehen wollen, mit einem gewissen Unwillen, die eigene christozentrische Perspektive überhaupt zu reflektieren oder gar temporär abzustreifen. Denn christozentrisch ist sie: von den Gottesvorstellungen, von denen ausgegangen wird, von den unterstellten Motiven und ethischen Wertungen (etwa, daß eine magische Aktivität, die zum Ziel hat, zusätzlich zum „mundanen“ Handeln auf diesem Weg das eigene Leben zu gestalten, als „Manipulation“ beschrieben wird – was klingt da mit, na?) bis zu den Begrifflichkeiten, mit denen man versucht, diese Phänomene zu beschreiben, die aber unter Umständen nur das sind, was Klein Hänschen sich unter New Age vorstellt.1 Da werden dann leicht einmal etwaige problematische Aussagen oder Vorgehensweisen herausgefischt, aus dem Zusammenhang gerissen und damit das ganze Konstrukt der Lächerlichkeit preisgegeben. In ähnlicher Weise wirft man im Extremfall Gläserrücken (übrigens eine Praxis, die ich in der Tat für hochgradig unsicher halte) in einen Topf mit einer hochdifferenzierten Tarotlegung. Da wird gerne Esoterik als Hort des Irrationalen beschrieben und als ebensolches verteufelt, aber ich meine: Die Ausgrenzung des Irrationalen wird es nicht vernichten können, sondern es nur immer neu erzeugen.

Die Esoterik und ich – Teil I

„Sagmal, du entsprichst ja immer mehr dem Klischee einer Esotante“, sagte sinngemäß ein Freund von mir, als ich bei einem Treffen meine Spindel auspackte und an der Adventureschaf-Wolle weiterspann. Kein Gerät der Astrologie, sondern der Astronomie: Historisches Astrolabium Bild: austinevan / flickr.com Jetzt frage ich mich zwar: Was hat diese archaische Form von Handarbeit mit Esoterik zu tun? Primär nämlich nichts.1 Aber ich fragte mich auch: Bin ich eigentlich eine Esotante? Immerhin wird mein Blog unter dem Begriff „Runenkreis“ ziemlich oft gefunden, und ich habe ja auch mal was mit Runenmotiven gestickt.

Ich kann zu diesem Anwurf nicht ohne weitere Differenzierung ja oder nein sagen, denn: Das hängt sehr davon ab, was man unter dem Begriff „Esoterik“ versteht.

Wenn das Wort fällt, denken viele wohl an langatmig-nebulöse Horoskope, die einem am Jahresbeginn im Grunde erzählen, das nächste Jahr sei ganz toll. Oder auch weniger toll, aber wenn man schlau sei, könne man viel draus lernen. Oder sanftäugige Medien, die einem Botschaften von allen Engeln channeln, die jede noch so apokryphe christliche Schrift hergibt. Oder Mehrwertdienstenummern, wo ich mir für einen stolzen Minutenpreis die Karten legen lassen kann. Wer selbst Hand anlegen will, kann sich in der esoterischen Buchhandlung ein Set von 25 Plastikrunen2, zusammen mit einem kleinen Deutungsbüchlein, kaufen und sich damit selbst Aussagen zusammenwürfeln, die so beliebig sind, daß sie irgendwie immer passen – ganz wie handelsübliche Horoskope in Zeitungen. Garantiert ohne Risiko der schockierenden Begegnung mit archaischen Kulturen und ohne mühsam draußen herumlaufen, Holz suchen und das dann mühsam bearbeiten zu müssen. All das hat eins gemeinsam: Es ist gnadenlos kommerzialisiert.

OK: ich war in den letzten Absätzen ein wenig polemisch. Sehen wir uns doch einmal an, was religionswissenschaftliche Lexika zu diesen Themen sagen.

  1. Spindeln spielen allerdings in einigen Märchen eine magische Rolle. Wäre interessant, dem mal nachzugehen.
  2. eine vollkommen ahistorische Erfindung: die 25., leere Rune wäre, denke ich, den historischen germanischen Stämmen nicht eingefallen, wie überhaupt der Gebrauch von Runen als Orakel nicht belegt ist